Quer gedacht zu dem Erlass der deutschen Bischofskonferenz über Rechtsfolgen des standesamtlichen Kirchenaustritts.


Jan Hus wollte die christliche Kirche im Sinne Jesu zu einer armen und geschwisterlichen Kirche reformieren. Trotz der Zusicherung des freien Geleites wurde er auf dem Konzil von Konstanz öffentlich als Ketzer verbannt. Quelle: chrismon.

Der Kirchenaustritt ist in der Katholischen Kirche seit Jahren ein heißes Diskussionsthema. Ausgelöst wurde die Diskussion von Hartmut Zapp, einem emeritierten Kirchenrechtsprofessor in Freiburg, der 2007 durch seinen Kirchenaustritt beim Standesamt zu beweisen versuchte, dass damit seine Zugehörigkeit zur Katholischen Kirche nicht berührt würde. Zapp berief sich auf eine vatikanische Entscheidung, dass die Exkommunikation nur erfolge, wenn der  Kirchenaustritt vor einem Organ der Katholischen Kirche erklärt  sei. Zapp erklärte gleichzeitig mit dem Kirchenaustritt seine ungekündigte Bindung an die Katholische Kirche und seine Bereitschaft zur Zahlung eines finanziellen Beitrages in Höhe der Kirchensteuer. Da sich die staatlichen Stellen weigerten, diese Erklärung verwaltungsmäßig zu dokumentieren, ging Zapp den juristischen Klageweg, der derzeit beim Bundesverwaltungsgericht geführt wird. Die katholische Bischofskonferenz in Deutschland sah das Kirchensteuersystem, das es im Wesentlichen nur in Deutschland gibt, akut gefährdet und verteidigte die innerkirchliche Rechtslage: Kirchenaustritt bringe automatisch die Exkommunikation (Ausschluss aus der Kirchengemeinschaft). Aber die vatikanischen Behörden wollten diesem Automatismus mit Rücksicht auf das allgemeine Kirchenrecht nicht zustimmen. Ganz überraschend erklärte nun die katholische Bischofskonferenz, dass die deutsche Regelung als deutsches Partikularrecht vom Vatikan anerkannt sei, allerdings mit einer Einschränkung, dass die bloße Kirchenaustrittserklärung beim Standesamt nicht die Exkommunikation nach sich ziehe, sondern sich (in Analogie zum deutschen Vereinsrecht) Rechtsfolgen ergäben. Genannt werden: Zulassung zu Eucharistie und Beichte, Firmung und katholische Trauung, Krankensalbung, kirchliche Ämter, Arbeitsverhältnis bei einem katholischen Arbeitgeber und (eventuell) die kirchliche Beerdigung. Damit war für alle Seiten das Problem gelöst: das Kirchenrecht behielt seine Gültigkeit und der Kirchenaustritt wird bestraft. Um das Gesicht zu wahren, wurden die Bedingungen für die Rückkehr leichter gefasst. Im Falle eines Wiedereintritts wird – nach einem klärenden Gespräch und einer Versöhnungszeremonie – der Ausgetretene wieder als Vollmitglied mit allen Rechten aufgenommen. Weggefallen ist auch der anonyme Automatismus des Ausschlusses. Künftig muss der Pfarrer das Gespräch mit den Betroffenen suchen. Er muss sie schriftlich über die Konsequenzen des Austritts, insbesondere über den Verlust der Mitgliedsrechte, aufklären. Im Gespräch ergäben sich dann drei Möglichkeiten: das Verharren im Austritt, die Rückkehr oder – gewissermaßen als „Steigerung“ des Austritts – die erklärte Abwendung vom Glauben der Kirche, die dann in weiterer Konsequenz zur Exkommunikation führen kann. Eingeschränkt wurde auch die Verweigerung des kirchlichen Begräbnisses auf die Fälle der Kirchendistanz bis zum Tode. Mit dieser Neuregelung dürften Klagen bei staatlichen Gerichten schwieriger wenn nicht unmöglich werden, da nun Rechtsklarheit besteht und der Katholischen Kirche nach dem Grundgesetz zugestanden ist, ihre inneren Angelegenheiten selbst zu regeln. Wer seinen Kirchenaustritt beim Standesamt erklärt, kann dies tun, aber verliert dann seine innerkirchlichen Rechte.

Soweit erscheint das alles logisch und richtig. Aber es gibt viele Gründe, diese Entscheidung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz zu hinterfragen. Zunächst ist es völlig offen, welche Auswirkungen sich ergeben? Wird die Austrittswelle gestoppt oder hält sie sich weiterhin auf hohem oder sogar höherem Niveau? Es ist jedenfalls durchaus denkbar, dass sich viele Menschen bestätigt fühlen, wenn für sie die eigene (katholische) Kirche das Niveau eines Vereins bekommt, dem man austreten kann oder nicht. Immerhin haben sich die katholischen Bischöfe wie Vereinsvorsitzende verhalten, die mit Rücksicht auf den Einfluss ihres Vereins Mitgliederwerbung und Mitgliederbereinigung betreiben müssen. Gravierender erscheint die Entscheidung der Bischöfe „im Geheimkabinett absolutistischer Regierungsverantwortung“. Statt das Problem mit den Gremien des Kirchenvolkes zu beraten, wurde in der Öffentlichkeit das letzte synodalartige Gespräch über die Aufgaben der Caritas als hervorragende Leistung der Bischöfe dargestellt. Es hätte ein Aufatmen unter den deutschen Katholiken gegeben, wenn die Bischöfe die Frage gestellt hätten, wie das Austrittsproblem zu lösen sei. Stattdessen wurde in den Geheimverhandlungen mit den Vatikanbehörden lediglich nach einem juristischen Freiraum für die deutsche Rechtslage gesucht. Nicht „Wir sind das Gottesvolk“ im Sinne des II. Vatikanums sondern „Wir sind die Hierarchie“ im altbekannten katholischen Ton ist allzu deutlich. Für die vielen Katholiken, die synodale Strukturen in ihrer Kirche für lebensnotwendig halten, ist die Entscheidung der Bischofskonferenz wie ein Schlag ins Gesicht. Die Zahl der Frustrierten wird wachsen, denn die Frage, ob die Römische Kirche überhaupt reformfähig ist, bekommt ein wesentlich größeres Gewicht.  Gerade zu absurd ist die Verweigerung von Beichte, Kommunion und Krankensalbung angesichts vieler Beichtstühle, die als Abstellkammern dienen, gestrichener Messen in den Gemeinden, Diakone bzw. Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten ohne Sakramentenlizenz im Gemeinde- und Kankenhausdienst sowie drastischem Rückgang der regelmäßigen Gottesdienstbesucher. Auch die halbherzige Bewilligung der kirchlichen Bestattung ist eher peinlich, riecht es doch nach kirchlicher Interessenlage und nicht nach den Werken der Barmherzigkeit. Sehr realistisch ist der pastorale Ratschlag einer „schriftlichen“ Information des Ausgetretenen. Seelsorge, d.h. persönlicher Kontakt im Gespräch, ist in vielen katholischen Gemeinden Mangelware. Die Bischöfe wissen das, sie haben ihre pastorale Unschuld schon lange verloren. Und da gibt es noch ein Problem. Müssen nicht die vielen Katholiken, die auf dem Standesamt ihren Kirchenaustritt erklärt haben, benachrichtigt werden, dass ihre Exkommunikation widerrechtlich also ungültig erfolgt ist und müssen sich nicht die Bischöfe und Pfarrer bei diesen Millionen Katholiken entschuldigen? Nachdenklich macht auch, wie sc hnell sich in der Katholischen Kirche Dinge ändern lassen, wenn es „von oben“ gewollt wird. Dies gilt auch für den Pflichtzölibat. Ein ganzes Instrumentarium steht zur Verfügung. Neben der Einzelentscheidung des Papstes (z.B. ffür evangelische Pfarrer, die konvertieren) gibt es das Partikularrecht für territoriale Gebiete – auch gegen das allgemeine Kirchenrecht. Nach dem Sonderrecht für die Geheimkirche in der Slowakei und für die anglikanische Kirc he gibt es nun mit dem deutschen Sonderrecht ein weiteres Beispiel.

Wir wissen es nicht, wie sich Katholische Kirche in Deutschland entwickelt? Aber die bange Frage, was das Vakuum ausfüllen wird, steht schon jetzt im Raum.

 

 

Kittlauss Sep 24th 2012 12:25 am Katholische Kirche kontrovers,Theologie Keine Kommentare bisher Facebook Kommentare

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