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Ein sehr persönlicher Rückblick Von Dieter Kittlauß auf die Jahreshauptversammlung der Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen (VkPF) im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden-Naurod am 23. bis 24. März 2019

Es waren 24 Männer und Frauen, die im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden-Naurod zum Sonntagsgottesdienst in der Runde saßen; Anlass war die 35. Jahreshauptversammlung der Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen.   

In seiner Jesusstudie „Jesus von Nazaret in seiner Zeit“[1] hat der katholische Exeget Martin Ebner die kühne Frage aufgeworfen, ob die 12 Apostel nicht in Wirklichkeit 12 Ehepaare waren, also 24 Männer und Frauen, die mit Jesus aus Nazaret durch Galiläa zogen. Als mir dies durch den Kopf ging, bekam unser Kreis auf einmal eine ganz andere Bedeutung. Doch dann gab es noch einen anderen Bezug.  Martin Ebert beschreibt nämlich  die Jesusgruppe als soziale Aussteiger, geächtet und verachtet von den Frommen im Lande und der damaligen jüdischen Hierarchie. Waren nicht auch wir, die verheirateten Priester, und unsere Frauen, die sich auf eine Ehe mit einem katholischen Priester einließen, in den Augen vieler frommer Katholiken und vor allem auch immer der Bischöfe, Schwächlinge und Versager, die ihrer Berufung und ihrem Versprechen untreu geworden sind? Aber gehören wir vielleicht in Wirklichkeit zu den wahren Zeugen dieser mehr als 2000 Jahre alten Jesusnachfolge? Vielleicht war dieser Vergleich zu kühn, aber so abwegig war er gar nicht. Jedenfalls hatte ich auf einmal das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen und der Gottesdienst, den wir zusammen feierten, war nahe an den Ursprüngen der frühen Kirche. Kein goldener Kelch und kein prächtiges Messgewand, kein feierlicher Einzug und keine Trennung von Klerus und Laien; aber Brot und Wein und die uralten Worte der Verheißung und Zuversicht.

In der Liturgie gab eine Änderung, die mir bedeutsam erschien, nämlich dass der Friedensgruß am Anfang stand, ganz biblisch: bevor Du zum Altar gehst, versöhne dich erst mit Deinem Bruder.

Das Bibelwort motiviert mich, eine kleine Geschichte zu erzählen. Beim Ökumenischen Kirchentag 2003 in Berlin fanden in der evangelischen Gethsemaniekirche zwei ökumenische Gottesdienste statt, zu denen die Initiativen „Kirche von unten“ und „Wir sind Kirche“ eingeladen hatten.  Etwa 2000 Personen waren jeweils in der Kirche, Tausende hörten draußen die Lautsprecherübertragung. Am Fest Christi Himmelfahrt war die katholische Messe, die der katholische Priester, Prof. Dr. Gotthold Hasenhüttl aus Saarbrücken, als Zelebrant leitete; der evangelische Gottesdienst erfolgte am Freitag. Hasenhüttl, ein schmächtiger Mann, betonte zu Beginn, dass es sich um eine Sonderform anlässlich des Ökumenischen Kirchentages handle, und dass sich jeder ernsthaft prüfen müsse, ob er zur Kommunion gehe. Beide Gottesdienste wurden auch als Abendmahlsfeier korrekt nach den liturgischen Regeln der eigenen Kirche durchgeführt; die Predigt hielt jeweils ein Vertreter der anderen Konfession, was im gewachsenen ökumenischen Verständnis – zumindest in Deutschland – durchaus nicht unüblich war. Ich war mit Ernst Sillmann (†), dem damaligen Vorsitzenden der VkPF, zwei Stunden vorher gekommen, so dass wir bei beiden Gottesdiensten in der Kirche waren. Bemerkenswert war die überaus emotionale Zustimmung bei beiden Gottesdiensten; wie bei den Kirchentagen ging mir durch den Sinn.  Als die große Gemeinde den Choral ‚Nun danket alle Gott’ sang, kamen manchem die Tränen. Im katholischen Binnenraum gab es nachher aufgrund des großen Medienechos Aufregung, aber es war auch deutlich Zurückhaltung und Respekt für die gewählte Form zu spüren. Doch ganz anders der Trierer Bischof Reinhard Marx; er sah wohl eine Chance, sich zu profilieren, weil er genau wusste, dass Joseph Ratzinger, der mächtige Chef der vatikanischen Glaubensbehörde,  den deutschen Theologieprofessor aus Saarbrücken schon lange im Visier hatte?  Jedenfalls am 17. Juli 2003 suspendierte Bischof Marx den Prof. Hasenhüttl vom Priesteramt und drohte ihm anschließend mit dem Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis, falls er nicht reumütig einlenke. Wie Martin Luther in Worms blieb sich allerdings Gotthold Hasenhüttl treu und widerstand. Auch die Schützenhilfe des Bundespräsidenten, der „als evangelischer Christ“ die Haltung der katholischen Kirche zum Abendmahlsstreit kritisierte, half nicht. Doch dann wurde es ganz schnell deutlich, worum es bei der ganzen Sache eigentlich ging. Wenige Tage später gab Kardinal Ratzinger der Koblenzer Rheinzeitung ein Interview: „Übrigens darf man nicht vergessen, dass Hasenhüttl eine Dogmatik geschrieben hat, in der er uns sagt, dass es Gott als eine in sich seiende Wirklichkeit gar nicht gibt, sondern lediglich ein Beziehungsereignis sei. Insofern ist das, was er auf dem Ökumenischen Kirchentag angestellt hat, noch relativ gering im Vergleich zu dem, was er im Ganzen von sich gegeben hat. Und Hasenhüttl weiß selber, dass das nicht der katholische Glaube ist.“ Auf die Frage des interviewenden katholischen Chefredakteurs Martin Lohmann „Würden Sie also sagen: Hasenhüttl ist nicht mehr katholisch?“, antworte Ratzinger ohne Wenn und Aber:  „Was im Innersten seines Herzens ist und vorgeht, das überlassen wir dem lieben Gott. Aber was er geschrieben hat, ist nicht katholisch.“ Damit war alles gesagt; Ratzinger als Vertreter der Römischen Kirche ließ eine Alternative nicht zu, und statt theologischem Disput gebrauchte die Römische Kirche ihre Macht. Anstatt sich als der zuständige Bischof wie ein guter Verteidiger schützend vor Gotthold Hasenhüttl zu stellen, schlüpfte Reinhard Marx sofort in die Rolle eines päpstlichen Vollzugsbeamten; sicherlich nicht zum eigenen Schaden. Aber diese schlimme Geschichte geht noch weiter,  denn ich habe in den Folgejahren nicht nur Reinhard Marx sondern anlässlich des Bischofswechsels auch den Diözesanverwalter, das Trierer Domkapitel und auch den neuen Trierer Bischof durch viele Briefe inständig und immer wieder gebeten, das Unrecht an Gotthold Hasenhüttl wieder gut zu machen und Frieden zu stiften. Doch ohne Erfolg und ohne eine einzige Antwort. 

Damit komme ich zu meiner Erinnerung an den Friedensgruß bei der Messfeier der Jahreshauptversammlung zurück. Eines der systemischen Grundübel der Katholischen Kirche ist die Macht des Klerus und dessen Bußunfähigkeit. Bis in die Gegenwart wurden katholische Eheleute, die (gleich aus welchen Gründen) zum zweiten Mal heirateten, lebenslang von der Kommunion ausgeschlossen. Seit dem II. Vatikanischen Konzil wurden allein in Deutschland Tausende Priester (und es waren nicht die schlechtesten) gnadenlos auf die Straße gejagt, nur weil sie das Versprechen der Ehelosigkeit korrigieren und ihren priesterlichen Dienst in Aufrichtigkeit führen wollten. Bis in unsere Zeit wurde Verzweifelten und psychisch Kranken, die keine Kraft zum Weiterleben hatten, die kirchliche Beerdigung verweigert und in katholischen Dörfern wurde Mädchen wegen einer außerehelichen Schwangerschaft lebenslang diskriminiert. Inzwischen haben sich die Zeiten etwas geändert. Als Antwort auf die Aufdeckung des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester zeigt sich der Münchener Kardinal Reinhard Marx auf einmal auffallend bereit, sich für die schon lange überfälligen Reformen in der Katholischen Kirche einzusetzen: Machtverzicht des Klerus, Diskussion um den Zölibat und Verantwortung für Frauen sind  erstaunlicherweise seine sehr konkreten Forderungen. Doch Skepsis ist immer noch angebracht, ob die Römische Kirche zu tiefgreifenden Reformen fähig ist, denn offensichtlich lässt die Macht der rotgewandeten Prälaten selbst den guten Papst Franziskus erzittern. Aber auf der anderen Seite erinnerte „die kleine Herde“ hier im Tagungsraum des katholischen Wilhelm-Kempf-Hauses, die sich mit Brot und Wein im Namen Jesu versammelte, an „das kleine Senfkorn Hoffnung“ der immer noch ganz lebendigen Verheißung des Evangeliums. Und war es nicht ein Wunder, dass diese 24 Frauen und Männer, alle in die Jahre gekommen, so völlig frei von Hass und Rachsucht über erfahrenes Unrecht, sich mit dieser oft skandalgeschüttelten Kirche immer noch verbunden fühlten und wie die Jünger und Jüngerinnen vor 2000 Jahren zu der Frohbotschaft Jesu bekannten? Vor 48 Jahren bat ich den Erfurter Bischof Hugo Aufderbeck, mir trotz meines Heiratswillens den weiteren Dienst in meiner Kirche zu ermöglichen. Ich wusste, dass dieser Weg für alle nicht einfach werden würde. Was ich nicht wusste, war die ungeheure Welle an Verachtung und Ablehnung, die ich dann über Jahre erfuhr. Die katholische Diasporakirche in der DDR war damals von dem Geist der Würzburger Synode noch weit entfernt und hatte keinerlei Hemmungen, mich dem atheistischen Staat zum Fraß vorzuwerfen. Heutzutage hat sich auch in Erfurt das Blatt gewendet; der Erfurter Bischof schrieb mir einen freundlichen, ja sogar liebenswürdigen Brief.

Mit dem ITE MISSA EST gingen wir wieder auseinander; nach der christlichen Tradition immer auch Sendung in die Welt, unsere Mutter Erde, ein jeder an seinen Platz und in sein Leben.


[1] Stuttgarter Bibelstudien, Stuttgart 2004.

Posted by Kittlauss on Apr 10th 2019 | Filed in Biographisches,Katholische Kirche kontrovers,Spiritualität und,Was das Leben angeht | Kommentare deaktiviert für Ein sehr persönlicher Rückblick Von Dieter Kittlauß auf die Jahreshauptversammlung der Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen (VkPF) im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden-Naurod am 23. bis 24. März 2019

Hommage auf Horst Klemm von Dieter Kittlauß

Hommage auf Horst Klemm von Dieter Kittlauß

Lieber Horst, wegen der Schlosserlehre im Weimarer Mädrescherwerk nach dem Abitur war ich zwei Jahre älter als Du, als wir mit dem Einführungskurs in Bad Kösen zusammen mit 50 anderen „Priesteramtsanwärtern“, wie es damals hieß, unseren Weg der priesterlichen Ausbildung begannen. Es waren andere Zeiten als heute. Für den einzelnen Christen war es oft schwierig, in dem atheistischen Staat der DDR zu bestehen; der katholischen Diasporakirche aber ging es recht gut. In unserer Pfarrei Weimar gab es einen Pfarrer und zwei Kapläne, drei Pallottinerpatres, einen Jesuiten und mindestens zwanzig Ordensschwestern. Wir Theologen, wir waren zeitweilig sogar fünf an der Zahl, waren im Pfarrhaus zu Hause. Dechant Schneider liebte in den Ferien eine große Frühstücksrunde mit uns. Sieben lange Jahre haben wir studiert und zwischen den Semestern viel Gemeinsames unternommen. Den Abschluss bildete die Priesterweihe am 29. Juni 1961 durch Weihbischof Joseph Freusberg im Erfurter Mariendom; wir waren für das Generalvikariat Erfurt fünf Weihekandidaten. Am nächsten Tag durften wir mit der ganzen Weimarer Gemeinde die Primiz feiern, sukzessiv da es damals noch keine Konzelebration gab. Als junge Kapläne sind wir uns weniger begegnet, aber nach meiner Erinnerung haben wir in den Masuren zweimal zusammen gezeltet; auch durch die Jugendseelsorge gab es Gemeinsamkeiten. Dann gingen unsere Wege auseinander. Du wurdest Pfarrer im Eichsfeld, ich habe geheiratet und habe zwanzig Jahre im Rheinland ein großes Bildungshaus geleitet. Kurz vor der Wende sind wir uns nach 18 Jahren wieder begegnet, als ich Dich in Deinem Pfarrhaus besuchte.

Nun hat Dich Gott vor mir aus dem Leben gerufen. Ich bete in diesen Tagen für Dich das uralte Totengebet:

Zum Paradies mögen Engel Dich geleiten; die heiligen Martyrer Dich begrüßen und Dich führen in die heilige Stadt Jerusalem. Die Chöre der Engel mögen Dich empfangen und durch Christus, der für Dich gestorben ist, soll ewiges Leben Dich erfreuen.

Mit Dir verbunden. Dieter

Posted by Kittlauss on Apr 10th 2019 | Filed in Biographisches,Was das Leben angeht | Kommentare deaktiviert für Hommage auf Horst Klemm von Dieter Kittlauß

Biographie von Dieter Kittlauß: Grengänge. Aus dem Leben eines Wanderpriesters

Es ist der lange und abenteuerliche Weg eines verheirateten katholischen Priesters, der hier erzählt wird. In den Wirren der Kriegs- und Nachkriegszeit führt er zunächst von Breslau bis nach Thüringen. In der Goethestadt Weimar wird das Flüchtlingskind neu beheimatet; die katholische Diasporagemeinde und die sozialistische Schule sind die beiden völlig widersprüchlichen Pole seines Lebens. Der lange Weg zum katholischen Priester und das Wirken als Kaplan und katholischer Jugendseelsorger bietet eine Innenansicht der DDR-Gesellschaft, die in der Literatur wohl einmalig sein dürfte. Auch die Religions- und Kirchenfeindlichkeit des DDR-Staates erhält in vielen Facetten ein neues Licht. Durch die schrittweise Abgrenzung von der Lebensweise eines katholischen Klerikers und die Entscheidung, den Zölibat aufzugeben, geriet der junge katholische Theologe zwangsläufig in die Front zwischen DDR-Staat und katholischer Kirche. Für den sozialistischen Staat ist er so etwas wie die fünfte Kolonne der Konterrevolution, für die katholischer Kirche bleibt er ein Abtrünniger und Verräter. Der holprige Berufsweg zwischen totaler Berufssperre, Zoopark, Versicherung und Tapetenladen wird dennoch zu einer intensiven Lebensschule, die schließlich dank der Helsinkiverhandlungen in die Übersiedlung in den Westen einmündet. Damit beginnt die neue Integration in die lange bekannte und doch so fremde westliche Welt. Diese ganz neue Geschichte ist nicht weniger rasant und abenteuerlich. Dieter Kittlauß bietet mit seiner Biographie eine Kulturgeschichte Nachkriegsdeutschlands aus der Sicht eines Ostdeutschen. Die Auseinandersetzung des Menschen und Theologen Dieter Kittlauß mit der christlichen Tradition und der heutigen Welt zieht sich wie ein roter Faden durch die 305 Seiten.

Posted by Kittlauss on Mai 5th 2018 | Filed in Aktuell,Bendorfer Heimatgeschichte,Biographisches,Hedwig-Dransfeld-Haus (HDH),Katholische Kirche kontrovers,Spiritualität und,Was das Leben angeht | Kommentare deaktiviert für Biographie von Dieter Kittlauß: Grengänge. Aus dem Leben eines Wanderpriesters

Ryans Predigt über seinen Glauben und seine Sexualität.

Ashampoo_Snap_2014.09.07_23h04m37s_002 cartoon_Auf einer internationalen Chatseite, wo sich junge Männer aus allen Ländern und Kulturen sexuell austoben, findet sich mitten drin ein Video, das völlig aus der Reihe springt. Da sitzt ein US – Boy nackt im Schneidersitz, spielt ab und zu an seinem Penis, und hält einen ernsten Vortrag. Ich habe nicht viel verstanden, aber hatte das Gefühl, dass da eine wichtige Botschaft vermittelt wird. Es dauerte lange, bis ich jemanden fand, der das amerikanische Englisch, noch dazu in schlechter Qualität, übersetzen konnte. Weil ich die „Predigt“ des jungen Mannes für bemerkenswert halte, gebe ich sie hier wieder und will dabei soweit wie möglich am Text bleiben. Das Bild habe ich verfremdet.
Der US-Boy hat einen Namen, der mit R anfängt. Das lange amerikanische AR lässt den Namen nur erraten. Nennen wir ihn Ryan.
Ryan fragt sich: „Wie kann ich Christ sein und ein solches Video veröffentlichen? Wie passt das zusammen mit meinen religiösen Überzeugungen, so ein Video auf einer Webseite zu veröffentlichen, auf welcher sich triebgesteuerte und allein am Sex interessierte Nutzer befriedigen? Verstoße ich nicht gegen die religiösen Normen?“ Und diese Frage führt ihn zu einer ihm viel wichtigeren: „Was sind meine religiösen Überzeugungen? Was glaube ich? Passt dieses Video zu meinen religiösen Überzeugungen – wie kann ich damit umgehen, wenn das nicht passt und ist das `gut`?“.
Ryan erzählt dann: „Ich wurde streng christlich erzogen und stellte irgendwann fest, dass ich homosexuell ausgerichtet bin und nichts daran ändern kann. Ich sah mich mit dem religiösen Standpunkt „Schwul = falsch“ konfrontiert, kam aber zu dem eigenen Standpunkt, dass diese Auffassung falsch sein muss. Religion erscheint für viele langweilig und dumm, weil es um die Anwendung von über 2.000 Jahre alten Regeln geht – wie sollen die heute noch gültig sein? Möglicherweise sind einige Trends aus der Bibel heute noch gültig – so verstehe ich die Bibel. Aber die Bibel ermutigt die Menschen, glücklich und achtsam miteinander zu leben. Dagegen wird die Bibel oft benutzt, um Menschen zu entmutigen und sie zu kontrollieren. Dies läuft aber dem Sinn der Bibel zuwider. Genau weiß ich natürlich nicht, was der Sinn der Bibel ist. Aber wer andere Menschen liebt und sich um sie sorgt, kann die Bibel nicht falsch verstehen.
Religion ist dazu da, um das persönliche Verhältnis zu Gott zu stärken. Die Beziehung zu Gott beruht aber nicht auf den religiösen Regeln, sondern auf der Liebe und Sorge um andere Menschen, und darauf, dass man dasjenige tut, von dem man glaubt, dass dies das Beste ist, um zu lieben und sich um andere Menschen zu sorgen. Dies ist ein Weg, um Vertrauen in andere Menschen zu stärken – und ich stärke mein Vertrauen in Gott, denn er sorgt sich um mich und unterstützt mich genauso. Das ist mein Verständnis von Religion und ich meine, es ist eigentlich recht einfach.“
„Nun die Frage: Wie passt das dazu, dass ich dieses Video veröffentliche, wie auch andere Videos? Dabei geht es um mein Verständnis von Sexualität. Viele Menschen verstehen Sexualität als etwas Privates, was man verstecken muss. Richtig ist meines Erachtens, dass Sexualität etwas Persönliches und Intimes ist. Allerdings ist Sexualität aus meiner Sicht wesentlich offener. Menschen sind glücklich, wenn sie tun können, was auch immer sie tun wollen. Natürlich solange sie andere Menschen nicht beeinträchtigen. Aber ich glaube nicht, dass ich andere beeinträchtige, wenn ich Nacktvideos von mir veröffentliche – möglicherweise gefallen sie euch ja. Wenn andere sagen, ich mache etwas Falsches, weil ich die falsche sexuelle Einstellung hätte – „Hals und Beinbruch – was glauben diese Menschen eigentlich, wie ich wirklich bin? Jedenfalls passt dies zu meinem Verständnis von Religion und zu meinem Glauben, denn das heißt für mich: andere Menschen zu unterstützen. Bereits dadurch, dass sie einen Anlass haben, darüber zu reden – lasst uns darüber diskutieren!“
Nun wird Ryan sehr persönlich. Er will seine Einstellung zu seiner Sexualität und zu seinem Körper vermitteln, auch wenn es ihm offensichtlich schwer fällt. Man merkt dies an seiner Gestik.

„Das ist eine interessante Diskussion. Ich versteh mich selbst als recht offen. Mir sind die anderen Jungs nicht egal, ich habe viele Dates ohne schlechtes Gewissen zu haben. Das soll aber nicht heißen, das ich oberflächlich bin. Wenn ich chatten möchte – jetzt meine ich nicht solche Diskussionen wie diese, sondern Chatten via MSN, Yahoo etc. – dann müssen da schon heiße Jungs sein. Da suche ich nach gutaussehenden Menschen. Sie müssen vor allem jung sein. Selbst wenn man eine wunderbare Konversation mit einem leicht übergewichtigen, älteren Herrn hat, dann fühle ich mich nicht sexuell von ihm angezogen, was unglücklich sein mag, aber so bin ich eben. Beim Chatten bin ich eher interessiert an jemandem, der mir nicht erzählt, dass er 50 Jahre alt ist und vier Kinder hat. Natürlich sind solche Menschen wundervolle Persönlichkeiten; dennoch bin ich dann nicht besonders interessiert, obschon man mit solchen Menschen wunderbare Konversationen haben kann. Aber sie passen nicht zu mir. Solange du jung – also nicht zu alt bist – und heiß bist, da ist das so. Auch ich bin nicht zu einhundert Prozent frei von Oberflächlichkeit. Aber ich bin froh, das zuzugeben. Wenn Menschen vorgeben, sie seien nicht oberflächlich, es dann aber doch ein bisschen sind, führt das manchmal zu Missverständnissen. Wenn sie jemanden richtig heiß finden, geraten sie dann in Konflikte mit sich selbst. Das ist schon interessant.“
Wir kennen diesen jungen Mann nicht näher, auch nicht, was er jetzt macht oder wo er lebt. Aber es wird doch sehr hautnah deutlich, wie uns hier ein konkreter, suchender und wertvoller Mensch anspricht, dem es ein großes Anliegen ist, seinen Glauben und seine Sexualität zusammenzubinden.

Posted by Kittlauss on Okt 31st 2014 | Filed in Aktuell,Biographisches,Spiritualität und,Was das Leben angeht | Kommentare deaktiviert für Ryans Predigt über seinen Glauben und seine Sexualität.

Hommage auf Hannelore Stausberg

Eine Hommage auf Hannelore Stausberg

Hannelore Stausberg *04.02.1947  + 01.09.2014

Hannelore Stausberg *04.02.1947 + 01.09.2014

Es war am 30. Juni 1997. Ich hatte rundum verloren und das Hohngelächter meiner Feinde war zum Tinnitus geworden. Nun geschah der letzte Akt, denn ich musste mit meiner Familie die Wohnung im Wenigerbachtal verlassen. Aus Angst vor Repressalien hielten sich fast alle meiner ehemaligen Miterbeiterinnen und Mitarbeiter von uns fern. Aber Freunde von Rosemarie waren mit ihren Familien da, um zu helfen. Am späten Vormittag war Monika Debray, die nach dem Tod ihrer Schwester bei uns familiären Anschluss gefunden hatte, plötzlich gestorben – wahrscheinlich aus Angst, denn sie wusste, wenn ich weg war, gab es niemanden, der sie beschützte. Dann geschah ein Wunder. Unsere Nachbarin, Hannelore Stausberg, sie wohnte mit ihrem Mann und den drei Töchtern in einem kleinen Reihenhaus, tauchte auf einmal auf und brachte einen riesigen Topf brauner Gulaschsuppe mit Bohnen. „Ich habe den ganzen Vormittag gekocht und es muss doch für die ganze Mannschaft reichen“, sagte sie lachend. Da war es so wie an einem grauen, dunklen Herbsttag, wenn auf einmal die Sonne am Himmel durchbricht. Hannelore Stausberg war schwer krank. Sie hatte einen Tumor im Kopf und konnte ganz schlecht sehen. Solange ich sie kannte war sie von der Krankheit gezeichnet und wurde dauernd operiert. Aufgrund ihrer Sehbehinderung und der regelmäßigen Abwesenheit hatte sie auch viele Probleme zu Hause.  Ja, es war mehr als die Suppe. Es war das solidarische Zeichen einer starken Frau. Wie die große Theresa oder Mutter Theresa. Wie Maria Magdalena und die anderen Frauen am ersten Karfreitag. Und dieses Zeichen veränderte schlagartig unsere Situation. Jetzt waren wir alle stark und schüttelten einfach die Feindschaft, die wie lähmend auf unseren Schultern lastete, wie Staub von den Füßen ab.Eine Wundergeschichte, wie es so viele gibt in unserem Leben.
Hannelore Stausberg ist nach vielen Jahren Pflegeheimaufenthalt am 1. September 2014 im Alter von 67 Jahren gestorben. Am 10. September haben wir ihre Urne auf dem Bendorfer Friedhof in die Erde gesenkt. Mit dieser kleinen Hommage möchte ich ihr ein virtuelles Denkmal setzen. Mit den Worten eines frühchristlichen Totengebetes wünsche ich Ihr einen guten Weg durch das Tor vom Diesseits in das Jenseits.
Hannelore, zum Paradiese mögen Engel Dich geleiten,
die heiligen Märtyrer Dich begrüßen
und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem.
Die Chöre der Engel mögen Dich empfangen
Und durch Christus, der auch für Dich gestorben,
soll ewiges Leben dich erfreuen.

Todesanzeige für Hannelore Stausberg

Todesanzeige für Hannelore Stausberg

Posted by Kittlauss on Sep 15th 2014 | Filed in Aktuell,Biographisches,Spiritualität und,Was das Leben angeht | Kommentare deaktiviert für Hommage auf Hannelore Stausberg

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