Archive for the 'Heimatgeschichte' Category

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Die Madonna im Fenster

 

Die Madonna im Fenster2003 wurde ich gebeten, mich um die Altakten des insolventen Bendorfer Hedwig-Dransfeld-Hauses (HDH) zu kümmern. Ausgestattet mit allen Hauptschlüsseln, besuchte ich die einzelnen Büros – zuletzt auch die Kapelle. Es zerriss mir das Herz, als ich den wüsten Raum betrat, der über lange Jahre ein Herzstück der Ökumene gewesen war. Dann sah ich auf einer Bank einen Karton mit braunen Tonscherben und auf dem Fußboden eine stark beschädigte Figur ohne Kopf. Ich erkannte sofort, dass es die Madonna war, die ich so geliebt hatte. „ Ja sie ist beim Abtransport zu Boden gefallen und in Stücke zerborsten“, sagte der Hausmeister axelzuckend, „nehmen sie doch alles mit, wenn sie es wollen“. Das tat ich auch, denn ich hatte das Gefühl, dass es meine Aufgabe sei, die Madonna würdig zu beerdigen. Doch es kam anders. Heute steht die restaurierte Madonna bei mir im Fenster und immer, wenn ich vorbeigehe, schaut sie mich und ich schaue sie lächelnd und stolz an. Es hat zwei Jahre gedauert, bis ich mir eine geeignete Restaurationstechnik angeeignet hatte und die Madonna reparieren konnte. Ich erzähle das alles so ausführlich, weil diese Madonna eine lange Geschichte hat. Durch Jahreszahl 1948 und Signatur unter dem Fuß ist Eugen Keller (1904-1995), der international renommierte Künstler aus Höhr-Grenzhausen, als der bildende Urheber dokumentiert. Die Madonna feiert dieses Jahr ihren 65. Geburtstag. Eugen Keller war ein All-round-Künstler. Er arbeitete gleichermaßen mit Aquarell, Holz, Keramik, Ton und Bronze. Die Koblenzer können sich noch an die Fassade der früheren Rhein-Mosel-Halle erinnern können, die seine monumentale musikalische Arabeske (Guss) geschmückt hatte. Eugen Keller war ein Freund von Anneliese Debray (1911-1985), der langjährigen Leiterin des Hedwig-Dransfeld-Hauses in Bendorf. Es war wohl so etwas wie eine Seelenverwandtschaft zwischen den beiden. Bereits in der alten Kapelle des HDH, die der Deutsche Katholische Frauenbund durch den renommierten Kirchenarchitekten Rudolf Schwarz (1897-1961) bauen ließ, muss die Madonna von Eugen Keller gestanden haben. Es gibt ein Foto von 1952, auf dem zwei französische Jugendliche, die beim Abriss der alten Kapelle halfen, die Madonna aus der noch im Hintergrund zu sehenden Schwarz-Kapelle hinaustragen.

Aber die Madonna kehrt in die neue Kapelle nicht zurück. Durch eine Ungeschicklichkeit war die rechte Hand abgebrochen und nur sehr laienhaft repariert worden. Als ich 1980 die Leitung des HDH übernommen hatte, fand ich die Madonna in einem Abstellraum. Als das neue Hildegardhaus fertig gestellt war, erhielt die Madonna hier einen Ehrenplatz, geschmückt von einem uralten Weihnachtskaktus, der jedes Jahr im Advent zu einer geradezu explodierenden Fülle erblühte. Mein Mitarbeiter Rahamim Mizrachi schenkte eines Tages einen kunsthandwerklichen Weihnachtsstern und bat mich, diesen neben der Madonna an der Wand aufzuhängen. Rahamim war ein jüdischer Kurde, der viele Jahre im Bendorfer HDH „seinen Friedensdienst“ tat. Es war seine Antwort auf die Shoa.
Die Religionsgeschichte weiß zu erzählen, dass die christliche Madonna im Glauben der uralten Zeiten der Menschheit ihre Wurzeln hat. Im alten Ägypten war es die große Isis mit ihrem Sohn auf dem Arm. Das Geheimnis von Mutterschaft, Menschwerdung und gelebter Menschlichkeit findet in diesen mythologischen Frauen ihren Ausdruck. Die Madonna von Eugen Keller knüpft an diese Tradition an. Die Madonna verkündet unserer Welt, in der es so viel Gewalt gibt, die Botschaft des Lebens und der Zärtlichkeit. Mit der rechten Hand segnet sie, mit der linken Hand hält sie das Kind, das einen Ball (die Erdkugel) in den Händen hat.
Die Madonna am Fenster steht heute im Flur des Sayner Fünftannenhauses, das in eine Zeit lang Bordell war, früher ein gepflegtes Tanzlokal und im 19. Jahrhundert zur Klinik Brosius gehörte. Brosius gehörte zu den Gründern der „sanften“ Psychiatrie, durch die zum ersten Mal psychisch Kranke als Menschen behandelt wurden. Die Madonna von Eugen Keller, ist zurückgekehrt in unser Leben.
Dieter Kittlauß

Die Schwarzkapelle von innen. An der rechten Wand sieht man noch die erste Madonna, eine Arbeit aus dem Oberammergau.

Die Schwarzkapelle von innen. An der rechten Wand sieht man noch die erste Madonna, eine Arbeit aus dem Oberammergau.

 

 

Die Schwarzkapelle von der Seite

Der Deutsche Katholische Frauenbund errichtete 1924 in Bendorf am Rhein ein Zentrum für Frauenbildung und Müttererholung. Der international renommierte Kirchenarchitekt Rudolf Schwarz baute im Park des Hauses eine kline Kapelle. Auf diesem Foto sehen wir eine Außenansicht.

 

 

 

 

Frannzösische Studenten sichern die Keller Madonna

Bevor die Schwarzkapelle abgerissen und durch einen größeren Neubau ersetzt wurde, bringen zwei französische Studenten die Madonna in Sicherheit. Dabei oder später wurde die rechte Hand der Madonna beschädigt. Da die Reparatur nicht sachgemäß durchgeführt wurde, stellt man die Madonna in einem Magazin ab. Bei der Altbausanierung wurde sie gefunden und erhielt ihren Platz im neuen Speisesaal des Hildegard-Hauses. Sie wurde umrahmt von einem alten Weihnachtskaktus, der jedes Jahr zu Weihnachten eine große Blütenpracht entfaltete. Mein Mitarneiter Rahamim Mizrachi, ein jüdischer Kurde, der im HDH nach 1980 Friedensdienst leistete, schenkte der Madonna einen kostbaren mit Halbedelsteinen geschmückten Stern.

Der zugewachsene Aufgang

2003 ging das Hedwig-Dransfeld-Haus in Insolvenz. Hausinterne Fehlentwicklungen, Reduzierung der öffentlichen Zuwendungen und Streichung der Förderung des Bistums Trier waren ursächlich. Auch die Kapelle, einmal europäisches Zentrum der interreligiösen Versöhnung, verwaiste und steht heute noch leer.

Der leere Altar

Öd und leer ist die heilige Stätte. Das große Altarbild hängt schief an der Wand, die Alterdecke ist schmutzig und der Strick der kleinen Dachglocke ist abgeschnitten.

Die Hostien im Tabernakel

Der von Eugen Keller geschaffene Tabernakel war entleert, nur die Hostien waren achtlos eingewickelt in ein Tuch zurückgelassen.

Die Bruchstücke der zerbrochenen Madonna.

Auch die Madonna war beim Ausräumen beschädigt worden.

 

 

 

Dieter Kittlauß mit den Bruchstücken der Madonna

Tief traurig sitzt Dieter Kittlauß neben dem geöffneten Tabernakel und hält das Kopfteil der Madonna in der Hand.

Die Madonna im Fenster

In zweijähriger, mühsamer Arbeit restaurierte Dieter Kittlauß die Madonna. Heute steht sie im Fenster des Sayner Fünftannenhauses. Salve Regina, Mater misericordiae, vita, dulcedo et spes nostra salve. Ad te camamus, exsules filii Evae. Ad te suspiramus, gementes et flentes in hac lacrimarum valle.

Posted by Kittlauss on Okt 27th 2014 | Filed in Bendorfer Heimatgeschichte,Hedwig-Dransfeld-Haus (HDH),Heimatgeschichte | Kommentare deaktiviert für Die Madonna im Fenster

Eine Hommage auf Maria Baldus-Cohen Or

Maria Baldus -Cohen Or 

„Eine zerbrechliche Frau und doch war sie so stark“, mit diesem Satz möchte ich mich von Maria Baldus – Cohen Or verabschieden, die am 18. März auf dem Bendorfer Friedhof beerdigt wurde. Maria Baldus – wie sie liebevoll meist auch nach ihrer Hochzeit mit Benni Cohen – Or genannt wurde – ist vorige Woche, am 13. März 2014, im Alter von 83 Jahren gestorben. Die lange Krankheit hat sie im wahrsten Sinne aufgezehrt, leicht wie eine Feder hat sie ihr Leben zurückgegeben.

Maria Baldus stammte aus einer großen Familie eines Westerwälder Dorfes. Sie machte ihr soziales Empfinden zu ihrem Beruf. Als Sozialarbeiterin und Eheraterin erwarb sie in Deutschland und in Irland breite Erfahrungen in der Jugend- und Familienarbeit, bis sie durch Anneliese Debray zur Leitung des neu erbauten Mütterkurheimes „Gussie-Adenauer-Haus“ in Bendorf gerufen wurde. Weiterlesen »

Posted by Kittlauss on Mrz 20th 2014 | Filed in Bendorfer Heimatgeschichte,Hedwig-Dransfeld-Haus (HDH) | Kommentare deaktiviert für Eine Hommage auf Maria Baldus-Cohen Or

Erinnerungen an Horst Eisel

 Horst Eisel

*1. Juli 1939   † 31. Januar 2013

Von

Horst Eisel im Jahre 1995.

Horst Eisel im Jahre 1995

 

 

Dieter Kittlauß

 

 

Da ich mit Horst Eisel 16 Jahre eng zusammengearbeitet habe, möchte ich mit diesem Porträt an unsere Gefährtenschaft erinnern und damit auch eine wichtiges Puzzle Bendorfer Geschichte bewahren. Doch zum Verständnis muss erst die Vorgeschichte erzählt werden.

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Posted by Kittlauss on Feb 16th 2013 | Filed in Aktuell,Bendorfer Heimatgeschichte,Biographisches,Hedwig-Dransfeld-Haus (HDH) | Kommentare deaktiviert für Erinnerungen an Horst Eisel

Clemens Wenzeslaus – letzter Trierer Kurfürst

Erstveröffentlichung auf der Webseite der Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde von Bendorf und Umgebung GGH  www.bendorf-geschichte.de; Verkürzte Fassung im Heimatbuch des Landkreises Mayen-Koblenz 2013

Biografisches Portrait
des letzten Trierer Kurfürsten
Clemens Wenzeslaus
unter dem besonderen Aspekt seiner Rolle als katholischer Bischof in der Frühen Neuzeit

I. Einführung
II. Auf dem Weg
Geboren im Schoß der Sächsischen Herrlichkeit
Starke Frauen im Rücken
Der Prinz aus dem Sachsenland
Kriegskind und Offizier
Der steinige Weg zum Bischofsamt

III. Seine Eminenz
Erzbistum und Erzstift Trier
Die Vorgänger auf dem Trierer Kurfürstenstuhl
Seine Eminenz: Erzbischof und Kurfürst von Trier
Zwischen den Fronten: Die Auseinandersetzung um Febronius.
Clemens Wenzeslaus und die Aufklärung
Protestanten und Juden in Erzstift und Erzbistum
Königliche Hoheit, Kurfürstliche Gnaden, Fürstbischöfliche Eminenz
Auf der Flucht, Machtverlust und Säkularisation
Heimgang
Literatur
Resümee

I. Einführung

Am 27. Juli 1812 starb Clemens Wenzeslaus (Anm.:1), der letzte Kurfürst und Erzbischof von Trier, in Oberdorf (Anm.:2), seinem Augsburger Sommersitz im Allgäu. Er wurde 73 Jahre alt und an der östlichen Chorwand der Pfarrkirche begraben. Weiterlesen »

Posted by Kittlauss on Jul 23rd 2012 | Filed in Heimatgeschichte,Theologie | Kommentare deaktiviert für Clemens Wenzeslaus – letzter Trierer Kurfürst

Anna Vogt und das Bendorfer Sekretariat des Jugendbundes

 

Vorbemerkung

Mit der Insolvenz des Hedwig – Dransfeld Hauses am 7. Oktober 2003 ging die 78jährige Geschichte des Hedwig – Dransfeld – Hauses in Bendorf zu Ende. Nach der Insolvenz bestimmte der vom Amtsgericht eingesetzte Insolvenzverwalter das Geschehen und von diesem erhielt die Gesellschaft für Geschichte und Heimatkunde von Bendorf und Umgebung e.V. (GGH)  freundlicherweise Zugang zu allen Räumen, um nach noch vorhandenen Altakten des HDH zu suchen und diese zu sichten. Wichtige Akten konnten so gerettet werden und sind mittlerweile in einem eigenen Findbuch im Landeshauptarchiv Rommersdorf aufgeführt. In diesem Zusammenhang suchte Dieter Kittlauß nach Akten aus der Zeit des Jugendbundes vor 1939 und fand u.a. einen DIN A 4-Ordner mit Originalbriefen und Dokumenten in einer Dachkammer des ehemaligen Mütterkurheimes unter einem großen Stapel von Bauakten. Nach Durchsicht aller Unterlagen ist es möglich, die Geschichte des Jugendbundes darzustellen. Weiterlesen »

Posted by Kittlauss on Jul 15th 2012 | Filed in Hedwig-Dransfeld-Haus (HDH),Heimatgeschichte | Kommentare deaktiviert für Anna Vogt und das Bendorfer Sekretariat des Jugendbundes

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