Wie ein Knabe den neuen Papst wählte.

 

Der neue Papst der Koptischen Kirche: Tawadrous II.

Im März dieses Jahres ist der leitende Bischof der Koptischen Kirche, Schenuda III., hochbetagt und von der Öffentlichkeit kaum beachtet,  gestorben. Mit 11 Millionen Mitgliedern ist die Koptische Kirche die größte der alten christlichen Kirchen, die ihre Gründung auf den Evangelisten Markus zurückführt. Die Kopten haben eine eigene Sprache und eine sehr alte Liturgie. In Ägypten sind sie eine beachtliche Minderheit von 10 bis 15% der Bevölkerung, etwa 1,5 Millionen leben außerhalb Ägyptens, davon ca. 6000 in Deutschland. Bisher erhielten die Kopten immer nur das Interesse der Öffentlichkeit, wenn es in Ägypten  durch fanatische Islamisten Verfolgungen und  Kirchenanzündungen gab. Als aber  in den letzten Tagen ein neues Oberhaupt gewählt wurde, stieß das Wahlgeschehen auf ein weltweites Medieninteresse. Zunächst wurde bekannt, dass sich das Oberhaupt der Koptischen Kirche seit dem 3. Jahrhundert „Patriarch und Papst“ nennt, also 100 Jahre vor dem Bischof von Rom. Dazu kam ein großes Erstaunen über die Modalitäten der Wahl, an der – ganz im Gegensatz zur römischen Papstwahl – die ganze Koptische Kirche beteiligt wird.[1]. Zunächst werden unter den Bischöfen und Mönchen mögliche Kandidaten gesucht, die ein Mindestalter von 40 Jahren[2] haben müssen  und mindestens 5 Jahre in einem Kloster gelebt haben. Die Wahlberechtigten setzen sich aus drei Gruppen zusammen. Die erste Gruppe sind der “Heilige Synod“, die etwa 150 Bischöfe. Die zweite Gruppe kommt aus den Gemeinden. Die dritte Gruppe ernennt der ägyptische Präsident. Insgesamt sind es 2412 Wahlmänner und Wahlfrauen, von denen mehr als die Hälfte Laien seien müssen. Dieses Gremium wählt einen Wahlausschuss, der eine Liste von 10 bis 20 Personen aussucht. Diese Liste wird in allen koptischen Gemeinden veröffentlicht und 2 Wochen lang diskutiert. Im Rahmen einer feierlichen Liturgie in der Sankt-Markus-Kathedrale von Kairo von 9 bis 21 Uhr wählen die 2412 Wahlmänner und Wahlfrauen zunächst fünf Kandidaten aus und aus diesen dann drei. Nun wird ein dreitägiges Fasten ausgerufen, um den spirituellen Charakter des Wahlgeschehens allen bewusst zu machen. Für die Wahl werden drei Kugeln vorbereitet. In jeder hat einer der drei Kandidaten seinen künftigen Namen (falls er gewählt wird) verschlossen. Nun wird der lange Auswahlprozess abgeschlossen. Ein neujähriges Kind wählt  mit verbunden Augen aus drei Kugeln eine aus. Diese Kugel wird geöffnet und der darin befindliche  Name verkündet.  Im koptischen Fernsehen, das die ganztägige Wahlhandlung live übertrug, konnten alle Kopten das Wahlverfahren übertragen. Tawadrous II. war der neue Papst der Koptischen Kirche.Die Wahl des neuen koptischen Papstes hatte nicht nur einen exklusiven Nachrichtenwert, sondern lässt auch die römische Papstwahl in einem anderen Licht erscheinen. Die „heilige katholische und apostolische Kirche“ (wie wir im Credo bekennen) war nicht römisch, sondern ökumenisch, also über die damals bekannte Welt verbreitet. Nachdem sich im Bischofsamt die Einzelleitung durchgesetzt hatte und durch die Lehre von der apostolischen Succession (Nachfolge) theologisch legitimiert wurde, bilden sich im 3. – 4. Jahrhundert, angelehnt an die von Diokletian (236-312) eingeführte Verwaltungsstruktur (Präfekturen, Diözesen, Provinzen) eine  kirchliche Patriarchatsstruktur. Zu den  drei Patriarchaten (Antiochien, Rom, Alexandrien) kam 381 die neue Hauptstadt Konstantinopel hinzu. Später wurde der Titel „Patriarch“ auch auf andere Bischöfe übertragen (z.B. Jerusalem, Serbien, Moskau). Die Heilige, katholische und apostolische Kirche war also in vier Patriarchate gegliedert.

Das (vermeintliche)  Grab des Apostels Petrus verschaffte dem Patriarchen von Rom  zwar einen besonderen Rang, aber in der tatsächlichen Bedeutung war er einer unter anderen. Durch die politische Entwicklung  verlor die Stadt Rom zunehmend an Bedeutung. Die kaiserliche Politik, die sich auch auf die christliche Kirche bezog, wurde von der neuen Hauptstadt Konstantinopel aus gestaltet. Je mehr das Weströmische Reich unter den Einfluss fremder Völker geriet, umso wichtiger wurde die Rolle der christlichen Bischöfe und besonders des Römischen Patriarchen. Diese Machtverschiebung zugunsten der Römischen Bischöfe wurde eine Erfolgsgeschichte. Mit Hilfe der neuen politischen Mächte (Merowinger, Franken usw.) entstand ein neues Kaiserreich, in  dem sich Kaiser und römischer Papst in einem großen Spannungsverhältnis  die Macht über Reich und Kirche teilten. Nach dem Verlust des Kirchenstaates erhielten die Päpste durch das I. Vatikanische Konzil (1869-70) die Vollmacht eines absoluten Monarchen.  Der nächste Schritt,  die Römische Kirche zu der eigentlichen Kirche Jesu Christi (also nach dem Stiftungswillen Jesu) zu erklären, war dann die Krönung dieses ekklesialen und imperialistischen Despotismus. Das II. Vatikanum war ein Versuch, diese Entwicklung zu korrigieren.

 

 



[1] Die folgenden Details wurden in der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“ (46/2012) gefunden.

[2] Die heilige Zahl 40.

Kittlauss Nov 17th 2012 07:29 pm Katholische Kirche kontrovers Keine Kommentare bisher Facebook Kommentare

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