Überlegungen zum Überleben des Christentums

Die Jesusbewegung verbreitete sich zunächst im jüdischen Land. In der Apostelgeschichte erzählt der Evangelist Lukas von Jerusalem, wie die Gemeinde den Petrus nach Samarien schickte und wie der „Neue Weg“ rasch in den hellenistischen Städten Fuß fasste. Nach der Eroberung Jerusalems bildeten sich in der jüdischen Diaspora viele, wenn auch oft kleine christliche Gemeinden.

Der heutigen Forschung bietet sich ein buntes Bild der frühen christlichen Kirche. Die ersten Gemeinden in Jerusalem, Galliläa und Samarien verstehen sich in der Nachfolge des Propheten und Messias Joshua. Es geht um die Erneuerung des Jüdischen Volkes und die Sammlung der Heidenvölker. In den hellenistischen Städten kommt die Sehnsucht nach Erlösung dazu. Paulus wird in diese Jesustradition eingeführt und entwickelt um die Person Jesu ein ganzes theologisches System. Die Jesus-Gemeinden in der jüdischen Diaspora stehen in der ständigen Konkurrenz mit dem jüdischen Glauben, der sich nach der Zerstörung Jerusalem ganz auf die Thora und die hebräische Sprache  formiert. Aber auch die Auseinandersetzung mit der neupaltonischen Philosophie, den  vielen hellenistischen Mysterienkulten und  der gnostischen „Pfingstbewegung“ verlangt von der jungen christlichen Kirche ständige Reflexion und Anpassung.  Dabei müssen wir bedenken, dass es die Zeit der großen Völkerwanderungen war, wo das Römische Reich oft bis auf seine Grundfesten erschüttert wurde und schließlich daran zugrunde ging.

Unser heutiger christlicher Glaube ruht auf den Schultern der damaligen Generationen. Die Schriften des neuen Testamentes zeugen von dieser Zeit. Damals ging es noch um Geisterfahrung und einen existentiellen Glauben. Es ging um den Einzelnen und die Kirche wurde eine Art Notgemeinsschaft, um in dieser sündigen Welt zu überleben. Der Glaube an ein ewiges Leben wird der große Rettungsschirm, die Erlösungslehre erklärt die Weltgeschichte und Jesus wird so überhöhte, dass er schließlich in das System der Dreifaltigkeit vollständig integriert wird. Die Stabilisierung des institutionellen Systems „Kirche“ durch die politische Entwicklung stellt die Weichen bis in unsere Zeit.

Heute wissen wir, dass die Herausbildung der christlichen Kirche ein historischer Prozess ist. Aber zwischen den verheirateten Bischöfen der Pastoralbriefe und den heutigen zölibatären Bischöfen der Römischen Kirche liegt ein weiter Weg.

„Quo vadis“ – Wohin gehst du, wurde in einem berühmten Roman der aus Rom flüchtende Petrus von seinem visionären Herrn gefragt. Auch heute stehen wir vor der Frage, wie wir mit der „ecclesia reformanda“ (der  immer zu erneuernden Kirche) umgehen sollen? Es gibt viele Meinungen und sehr unterschiedliche Einstellungen. Niemand weiß, wohin die Entwicklung geht. Vielleicht wird die Römische Kirche aus Europa verschwinden, so wie es der afrikanischen Kirche und den Nestorianern im Nahen Osten ging, jener Riesengemeinschaft neben der schließlich auch  verschwindenden byzantinischen Staatskirche.

Jedenfalls hier in Europa geht es jetzt um das Überleben des Christentums überhaupt. Nichts spricht dafür, dass eine bloße Restauration einiger Strukturen gelingt. Es geht uns wie den jüdischen Deportierten in ferner Zeit. Wir müssen das ganze traditionellen Christentum auf den Prüfstand stellen, abklopfen nach ihrer Gültigkeit. Wir brauchen neue Formen des Betens und des Glaubens. Die Römische Kirche muss sich befreien von den Fesseln der unchristlichen Feudalgesellschaft und ermutigen, neu Erfahrungen auf dem „Neuen Weg“ zu machen. Wenn die Frage nach Korrektur des Gottesbildes jeden Tag mehr an Gewicht gewinnt, dann müssen wir uns dieser Auseinandersetzung angstfrei stellen.

Kittlauss Mrz 16th 2014 06:15 pm Katholische Kirche kontrovers,Theologie Keine Kommentare bisher Facebook Kommentare

Comments are closed.