Über Gott – Gespräch mit Frau Weisheit


Frau Weisheit. Allegorische Figur des Alten Testamentes. Quelle: Bistum Augsburg Pressestelle.

Auf dem Mars ist Curiosity, die neue Marsmaschine, 16 Meter vorangerollt und sendet unermüdlich Bilder auf die Erde. Es ist faszinierend, aber dann  fühle ich mich doch beunruhigt. Sind wir durch die Raumfahrt Gott näher gekommen oder erfriert uns die Eiseskälte des Mars den letzten Rest unseres Gottesglaubens?  Während ich diesen Gedanken nachging, kam Frau Weisheit auf mich zu. Sie lächelte mich an und wünschte mir einen guten Tag. Da konnte ich mich nicht zurückhalten. Erzähl mir über Gott, sagte ich.  Frau Weisheit runzelte die Stirn:  Eine gewichtige Frage so mitten auf der Straße? Doch dann lächelte sie. Als Theologe müsstest du doch wissen, dass es in der jüdischen Geschichte etwas sehr Merkwürdiges gab. Man schrieb den Namen Gottes, aber man sprach ihn nie aus. Ja, sagte ich, das ist mir bekannt. Das Tetragramm. YOTA HE WAW CHET,  die vier Buchstaben für Gott, so schrieb man, doch man sprach es ADONAI , mein Herr.  Richtig, sagte Frau Weisheit. Die Juden vor dreiundeinhalb Tausend Jahren, hatten so viel Ehrfurcht vor Gott, dass sie seinen Namen nicht aussprachen. Für sie war Gott wie das Wasser, in dem wir schwimmen, wie die Luft, die wir atmen, wie die Sonne, die uns wärmt. Der immer bei uns ist. Und, fragte ich, was bedeutet das für uns heute, nach dreiundeinhalb Tausend Jahren. Wissen wir mehr oder weniger über Gott?  Frau Weisheit zögerte. Kennst du nicht die Geschichte vom heiligen Augustinus, wie dieser über die Trinität nachdachte und bei einem Spaziergang am Meer einen Jungen traf, der mit einer Muschel Meerwasser in eine kleine Grube im Sand  schöpfte.  Was tust du da, fragte ihn Augustinus. Ich schöpfe das Meer aus, sagte ihm der Junge.  Das ist unmöglich, fuhr im Augustinus ins Wort. Da sagte der Junge zu ihm: Und du versuchst, mit deinem kleinen Geist die Größe Gottes zu fassen? Ja, sagte ich, ich verstehe den Sinn dieser Geschichte. Wir können so vieles nicht verstehen, erst recht Gott nicht. Aber die frommen Suffis sind dennoch überzeugt: Gott sei uns näher als unsere Halsschlagader.  Die Mystiker, sagte Frau Weisheit, wissen um Gott, deshalb fragen sie nicht nach ihm, sie suchen seine Nähe. Weißt du, sagte sie, alle Religionen haben viele Bilder für Gott, weil keines von ihnen richtig ist. Dann sagte sie: Lass uns da auf die Bank setzen Du kennst doch die Geschichte vom Propheten Elias, wie er 40 Tage und 40 Nächte zum Berg Horeb wanderte und dort in einer Höhle übernachtete. Ja, sagte ich, mitten im Schlaf hörte er Gottes Stimme: Was willst du hier, Elia?  Und Elia antwortete: Mein Gott, ich bin lebensmüde. Dann antwortete ihm der Herr: Komm heraus aus der Höhle und stell dich auf den Berg. Und Elia ging aus der Höhle und wartete. Richtig, sagte Frau Weisheit, und was geschah dann?  Ein starker und mächtiger Sturm zog herauf, erzählte ich weiter. . Elia konnte sich kaum auf den Beinen halten. Er klammerte sich an der Felswand fest und riss die Augen auf, um Gott zu sehen. Aber er sah ihn nicht. Gott war nicht im Sturm zu erkennen. Nach dem Sturm kam ein Erdbeben. Felsen und Steine brachen aus dem Berg heraus. Elia hatte Angst, dass er von den Felsen erschlagen werden würde. Doch Gott war nicht im Erdbeben. Elia konnte Gott nicht erkennen. Dann zog ein Feuer über den Berg. Aber Gott war nicht im Feuer. Und weiter, sagte Frau Weisheit und lächelte. Nach dem Feuer kam ein sanftes Säuseln Es war kaum zu spüren. Und weiter, drängte Frau Weisheit. Elias verhüllte sich sein Gesicht mit seinem Mantel, denn Gott war im sanften Säuseln, sagte ich leise. Frau Weisheit strich mir über die Stirn. Die jüdischen Mystiker wurden nicht müde, Bilder für Gott zu finden. Denke einmal an das Feuer im Dornbusch, das nicht verbrennt oder an die Feuersäule, die den Israeliten vorherzog, an das Manna in der Wüste oder an Blitz und Donner am Berg Sinai. Für den Propheten Jonas erschien Gott sogar als großer Fisch, der ihn rettete. Und für Hosea war Gott wie eine Mutter. Eine Weile blieben wir still sitzen. Dann sagte sie: Einer der wichtigsten Sätze der Bibel: Suchet nach Gott und euer Herz wird erstarken. Ja, sagte ich, das hat wohl auch Exupery gemeint, als er den kleinen Fuchs sagen ließ: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Während wir langsam weiter gingen, sagte Frau Weisheit. Von Meister Eckehard, dem Erfurter Mystiker,  stammt der Satz: Und wäre Jesus tausendmal zu Bethlehem geboren und nicht in Dir, du wärest dennoch verloren. Eckehard liebte die Theologia negativa. Gott ist da und doch nicht da. Gott ist allmächtig und doch nicht allmächtig. Weißt du, sagte sie weiter, neulich habe ich eine Predigt  von einer amerikanischen Rabbinerin gelesen. Die hat sich Gott als alte Frau in der Küche vorgestellt. Wir sollen mit ihr alt werden, schrieb sie. Wie in der Emmausgeschichte, mit Gott ein Stück des Weges gehen, das ist Sinn des Lebens. Ich war wieder beeindruckt, mit welch einfachen Worten Frau Weisheit so komplizierte Dinge erklären konnte. Dann ging sie nach rechts ab und winkte mir noch einmal zu.

Sandro Boticelli, der hl. Augustinus und der Knabe am Meer, Ausschnitt. Quelle: Internet. Ein Urheberrecht wzrde nicht gefunden

 


 

Kittlauss Sep 2nd 2012 04:37 pm Gespräch mit Frau Weisheit,Theologie Keine Kommentare bisher Facebook Kommentare

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