Theologische Betrachtung zu Markus 1,15

 

 

 

 „Erfüllt ist die Zeit und das Reich Gottes ist nahe;

kehrt um und glaubt an die Frohbotschaft“

 

In Anlehnung an Thomas Sarazeno habe ich Weihnachten 2012 eine Weihnachtskugel gefertigt, die an unseren Kosmos erinnern kann.

In Anlehnung an Thomas Sarazeno habe ich Weihnachten 2012 eine Weihnachtskugel gefertigt, die an unseren Kosmos erinnern kann.

Der Evangelist Markus wollte mit seinem Evangelium die Gestalt des Jesus von Nazareth nahebringen und zur Nachfolge motivieren. Deshalb schrieb er über „seinen Helden“ einen Roman[1] und benutzte alle Quellen, die ihm zugänglich waren. Markus begann seine Jesusgeschichte sehr programmatisch: „.Anfang der Frohbotschaft (> Evangelium) von Jesus Christus, dem Sohn Gottes.“ Der jüdisch-hebräische Titel „Maschiach“ (> Messias) war in seiner griechischen .Übersetzung (> Christos)  für Markus bereits Teil des Namens. Für die Ohren seiner Leser klang „Christos“ wie ein Familienname. Das Jesusgeschehen lag ja auch schon 50 Jahre zurück.

Markus, ein sehr gebildeter hellenistischer Jude,  kannte aus dem 2.Buch der Könige die Geschichte des Propheten Elischa. Dieser war ein Schüler des großen Propheten Elija, weckte Tote auf, vermehrte Brot und Getreide und heilte Kranke. Für Markus ist Jesus der neue Elischa, deshalb erzählt er die Berufungsgeschichte  Jesu. Wie Elischa wird Jesus durch seinen Lehrer Johannes berufen und von Gott legitimiert. Er wird in die Wüste geführt, die Schule Israels und aller Propheten. Der Gottessohn durchläuft den Härtetest der Berufung und besteht ihn. Der Lohn bleibt nicht aus: Wie im Paradies lebt er für eine Zeit unter den wilden Tieren und die Engel dienen ihm. Diese Schilderung ist wie ein großartiges Bild von Chagall oder Emil Nolde. Markus will unsere Seele ansprechen.

Nun beginnt die eigentliche Geschichte. Nach seiner Berufung macht sich Jesus auf und zieht durch die Dörfer. Seine Botschaft: „Die Zeit ist erfüllt und das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.“(Mk 1,15). Wir kennen diesen Satz aus der Einheitsübersetzung. Aber es lohnt sich, auf den griechischen (> den ursprünglichen) Text zurückzuschauen. Übersetzt heißt es: Erfüllt ist der Kairós und nahegekommen ist das Reich Gottes, denkt um und glaubt an die Frohbotschaft.“ (> Linearübersetzung von Dietzfelbinger).

Der Kairóskult war in der ganzen hellenistischen Welt verbreitet. Der griechische Dichter Poseidippos (> 3. Jahrhundert v.Chr.) beschreibt den Gott Kairós wie einen Leisetreter, den man nur kurz an der Stirnlocke fassen kann, bevor er wieder verschwindet und einem seine Glatze am Hinterkopf zeigt (> von daher kommt das Sprichwort: Das Glück beim Schopfe fassen). In der hellenistischen Philosophie bezeichnete Kairós den schicksalhaften Augenblick – im Gegensatz zu Chronos, der gleichmäßig dahinfließenden Zeit.[2] Als theologische Deutung wird Kairós vom Buch „Kohelet“ (> Der Prediger) aufgenommen und innerhalb seiner Weisheitslehre gedeutet: Alles hat seine bestimmte Zeit, nur jetzt ist Gott erfahrbar, nur jetzt öffnet sich ein Zeitfenster. Markus kennt sich in dieser Theologie aus.  Auch das Wort „metanoiein“ (> umdenken) hat einen Hintersinn. Das Verb hat seinen Urspung in dem griechischen Wort „nóos“ (>Verstand, Sinn, Gedanke, Gemüt). Gemeint ist die Fähigkeit, seine ganze innere Kraft auf etwas Wichtiges zu konzentrieren (> es geht nicht nur um das physikalische Sehen). Metanoiein meint deshalb die Veränderung und Intensivierung  seiner inneren Blickrichtung.

Die Frage stellt sich nun: „Warum öffnet sich das Zeitfenster?“ Ist es die Begegnung mit Jesus, seine Nähe, sein Wort? Um eine Antwort zu finden. Müssen wir auf den Urtext, also die Sprache Jesu, zurückgreifen. Das griechische Wort Basileia (> Königtum, Königreich) ist eine Übersetzung des aramäischen Wortes „malkut“ (> Reich, Wirkung, Herrschaft). Wie viele aramäischen Wörter ist auch malkut vieldeutig und hat in seiner Grundbedeutung Ereignischarakter. Wenn wir den inneren Sinngehalt übersetzen, müssen wir ganze Sätze verwenden: Gott wirkt unter uns, das göttliche Wirken erfasst uns.

Nun erschließt sich uns der zunächst einfach-klare Satz, wie es der indische Theologe Sebastina Painadath erklärt.[3] Wenn Du mit deiner ganzen Aufmerksamkeit (> das dritte Auge, deine Seele, dein Herz) nach innen schaust und dich öffnest für Gott, dann kannst Du den Kairos, das Vorübergehen Gottes erfahren, dann öffnen sich für Dich Raum und Zeit, dann erfasst Dich die Zeit der Gnade.

Der jüdische Weisheitslehrer Jesus sprach nicht von einer fernen Zeit, von Irgendwann und Irgendwo in der Zukunft, sondern von der Möglichkeit, die jeder Mensch hat, sich für die Erfahrung Gottes zu öffnen. Es ist eine Anleitung zum spirituellen Lernen. Darum geht es dem Evangelisten Markus. Er will seine Gemeinde motivieren, durch seine Jesusgeschichte zur eigenen Gotteserfahrung zu kommen.

Auch für uns, nach fast 2000 Jahren, kann so die Jesusgeschichte zur weisheitlichen Lebensschule (> zu einem geistlichen Lehrhaus) werden. Es geht um das „Carpe diém“ ( > Horaz) als Anstrengung des Geistes und des Herzens im Rhythmus unserer lauten und hektischen Zeit.

Die Anleitung zur Tranzendenz, also das Sich-Öffnen für das innere Geheimnis des Kosmos und damit auch unseres eigenen Leben, gehört zum jüdisch-christlichen Vermächtnis.[4] Der Evangelist Markus ist einer unserer wichtigen Lehrer.Selbsttranzendenz

 

Dieter Kittlauß

Bendorf / Rhein

25. Februar 2013

dieter.kittlauss@online.de     www.bendorfer-lehrhaus.de

 

 

 

 

 



[1] MARTIN Ebner; Das Markusevangelium, Katholisches Bibelwerk Stuttgart 2008

[2] Andreas Preussner, Artikel „Kairos“, Internet 25.02.2013

[3] Christ in der Gegenwart 8/2013

[4] Hans Joas, Braucht der Mensch Religion? Über Erfahrungen der Selbsttranszendenz. Herderverlag Freiburg 2004,

Kittlauss Feb 26th 2013 09:52 am Biblische Studien,Spiritualität und,Was das Leben angeht Keine Kommentare bisher Facebook Kommentare

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