Ein altes Bild von der Geistkraft – erklärt von Luise Schottroff
Eine der „Urmütter“ der feministischen Theologie, Luise Schottroff, (†8.2.2015) hat in einem ihrer letzten Beiträge eine kurze Studie zum so genannten „Zungenreden“ (1 Kor.14 und Apg 2). geschrieben. Dieser Beitrag ist in der neuen Ausgabe von „Bibel und Kirche“ (Katholisches Bibelwerk 70/3) nachzulesen. In ihrer Sprachanalyse übersetzt Schottroff das „lallein heterais glossais“ (> in anderen Sprachen reden) als „reden in der Muttersprache“. In der multikulturellen Umwelt, so Schottroff, durften Gemeindemitglieder, die nach Jerusalem und Korinth zugereist sind, in ihrer Muttersprache reden und beten, ohne, dass sie deshalb diskriminiert wurden. Das war das Wunder von Pfingsten. Zur Hinführung auf diese Interpretation der biblischen Texte erklärt Schottroff ein Fresco aus dem dritten Jahrhundert (> Dura europos) zur Vision des Propheten Ezechiel (37. Kapitel), das über Google zu finden ist: In der linken Szene des Bildes wird der Prophet Ezechiel auf ein Feld mit zerschlagenen Menschen gestellt. In der nächsten Szene wird gezeigt, wie Gottes Wirken die zerstückelten Leiber wieder zusammensetzt, aber sie sind noch nicht lebendig. Nun kommt die Gotteskraft (hebr. Ruach, Geistkraft) aus den vier Himmelsrichtungen. „Sie ist in vier zarten Frauen mit Flügeln verkörpert. Sie tragen elegante durchsichtige Gewänder, hoch geschlitzt bis über das Knie. Die Inspiration durch Schmetterlinge ist erkennbar. Eine von den zarten Frauen sieht man die leblosen Körper berühren. Das neue Leben ist in dem nächsten Bildabschnitt in Gestalt einer Menschengruppe dargestellt. Sie verkörpert das Volk, das wieder lebendig geworden und von der Gewalt (> des Todes) befreit worden ist.
Biblischer Text, Bild aus der frühen Kirche und Erklärung durch Luise Schottroff geben uns ein ganz anderes Gottesbild, als wir es gewohnt sind. Wir werden erinnert, dass wir das Geheimnis „des Göttlichen“ nur in begrenzten Bildern aus unserer Erfahrungswelt darstellen und begreifen können. Für die Römische Männerkirche, wie ich etwas boshaft die Katholische Kirche gerne nenne, ist dieses Fresco eine Hilfe zur Gewissenserforschung.