Rückblende auf den Regensburger Katholikentag

 

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Bis zum Donnerstagabend hat es geregnet und bis zum Freitagnachmittag war es saukalt, auch waren für Gehbehinderte die Wege lang und beschwerlich. Das wird vom Regensburger Katholikentag 2014 in Erinnerung bleiben, aber am Samstag ließ der blaue Himmel alles vergessen. Die Vielfalt des deutschen Katholizismus konnte sich doch noch zeigen, die vielen jungen Leute tanzten auf den Straßen und alle waren heiter und gelassen. Am tiefsten hat mich die Rede des Bundespräsidenten am Mittwochabend auf dem Domplatz beeindruckt. Gauck griff das Thema des Katholikentages auf und sprach vom Brückenbau zwischen den Konfessionen und zwischen den Religionen wie auch zwischen dem religiösen Glauben und der säkularen Gesellschaft. Dabei kam er auf die Frage:“Wie viel Religion verträgt eine säkulare Gesellschaft?“. In dieser Fragestellung verstecke sich die These, dass die Religion – und das heißt: der Glaube an Gott – für die Gesellschaft auf jeden Fall eine Zumutung darstelle. Gauck ließ sich hier vom Begriff der Zumutung leiten, aber in seiner ursprünglichen Bedeutung. Denn der christliche Glaube mute nicht nur der säkularen Gesellschaft sondern auch uns Christen zu, „einen anderen Maßstab anzuerkennen, als den, den wir uns selber bequem zurechtlegen möchten. Und er gibt uns den Mut und die Kraft, uns den Herausforderungen zu stellen, die unser Leben für uns bereithält.“ Dann wurde der Bundespräsident so konkret, wie ich es schon lange nicht gehört habe: „Dass der Schwache geschützt wird, dass Teilen richtiger ist als Behalten, dass der geschlagene Nächste am Wegesrand, in welcher Gestalt auch immer er aktuell auftritt, Herausforderung für unsere Nächstenliebe ist, dass Friedfertigkeit so weit geht, dem Angreifer auch die andere Wange hinzuhalten, dass Gerechtigkeit wirkliches Teilen meint und nicht gelegentliche Almosen, dass die Würde des Menschen nicht von seiner Herkunft, nicht von seinem Glauben, nicht von seinem Gesundheitszustand abhängt, dass diese Würde zu achten ist von der Zeugung bis zum letzten Atemzug, dass man nicht alles darf, was man kann.“
Beeindruckend war der Schlusssegen. Vier Männer und eine Frau schlugen ein großes Kreuz. Doch bei den nächsten Gottesdiensten war alles wieder brav klerikal. Wie bei einer Viruserkrankung ist der hierarchische Virus in der Katholischen Kirche offensichtlich unausrottbar. Die Selbstdarstellung der katholischen „Theaterkirche“ war kaum stärker zu betonen. Wer die Bischöfe mit ihren hohen Hüten hinter dem Altar sah, wusste sofort, wer in der Katholischen Kirche das Sagen hat. Das Kommen und Gehen der bischöflichen Exzellenzen bestimmt eben nicht zufällig den Ablauf aller katholischen Pontifikalämter und als klerikale Miniaturkopie jede katholische Messe.
Die „Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen (VkPF)“, bei der ich mich seit vielen Jahren engagiere, hatte wieder einen Stand in der Kirchenmeile und konnte einen Gottesdienst gestalten. Wie in den vergangenen Jahren gab es kaum negative Stimmen, meistens Anerkennung und Lob. Viele ließen sich auf ein Gespräch oder schrieben sich in das Gästebuch ein. Wenn die deutschen katholischen Bischöfe eine Umfrage machen würden, würden sie sehr schnell merken, dass die meisten Katholiken den Pflichtzölibat (und nur darum geht es) als störend und überholt betrachten. Am Samstagnachmittag kam eine Gruppe junger Seminaristen der Legionäre Christi (LC) zu unserem Zelt. In schwarzer Hose, weißem Seidenhemd, schwarzem Gürtel, Silberkreuz und mit ihren einheitlichen Rucksäcken waren sie sofort zu erkennen. Wie bei den Zeugen Jehovas war eine inhaltliche Auseinandersetzung jedoch nicht möglich. Sie waren alle bereits unverrückbar fixiert. Deshalb hielt ich mich beim Gespräch zurück und sagte lediglich: „So wir ihr seid, waren wir auch einmal“.
Die Tradition des Katholikentages lässt eine gewisse Toleranz zu. Die Vereinigung „Homosexuelle und Kirche (HUK“, die „Vereinigung der Lesben“, „Wir sind Kirche“ und „Donum Vitae“ hatten jeweils einen Stand in unserer Nähe. Doch diese „Schmuddelecke“ wirkte eher als verlegenes Alibi. Das Thema des Katholikentages „Mit Christus Brücken bauen“ ist schillernd. Als Jünger Jesu „Brücken bauen“ wäre eindeutiger gewesen. Als ich bei den Frauen von „Donum Vitae“ vorbei sprach, fragte ich sie, ob sich die Bischöfe bei ihnen entschuldigt hätten. „Nein“, erhielt ich zu Antwort, aber zwei Bischöfe wären immerhin vorbeigekommen. Übrigens spielte der sechshundertste Jahrestag der Eröffnung des Konstanzer Konzils, das die Herrschaft der drei Päpste beendete, keine merkliche Rolle auf dem ganzen Kirchentag, so war jedenfalls mein Eindruck..
Bei unserem Gottesdienst lief eigentlich alles schief. Wir hatten nur 25 Texte in schlechter Druckqualität und ohne Lieder, die Musikanten hatten abgesagt und vor der Kirche trommelte eine Jugendgruppe. Wir sind keine Profis mehr, das wurde deutlich. Aber vielleicht war die Tatsache, dass die VkPF im Rahmen des offiziellen Programms und diesmal sogar mitten in der Altstadt ihren Gottesdienst feiern konnte, das Wichtigste. Der Ort, die evangelische Neue Pfarrkirche, war jedoch von historischer Bedeutung. Als 1519 Kaiser Maximilian, der Schutzherr der Juden, gestorben war, holen die Regensburger Ratsherrn die vorbereiteten Pläne aus der Schublade und vertrieben innerhalb von drei Tagen alle jüdischen Bürger, zerstörten Synagoge und Schulhaus und auch den Friedhof der jüdischen Gemeinde. Die Grabsteine wurden anschließend in den Häusern verbaut und auf dem Gelände des jüdischen Viertel wurde begonnen, eine christliche Kirche zu bauen. Durch die Reformation wurde das Geld knapp, so dass nur der Chor fertig wurde, die heute neue Pfarrkirche. Im Rahmen des Katholikentages wäre ein Bußgottesdienst angebracht gewesen.
Wenn man fragt, was von diesem Katholikentag bleiben wird, ist es vielleicht das Thema. Aber ob die deutsche Kirche dem Brückenbauer (Pontifex) Franziskus folgen wird bzw. ob dieser mehr als eine kurzfristige Episode sein wird, ist ungewiss. Sicher ist aber eins: Je mehr in Europa der christliche Geist abstirbt, umso stärker wird das Vakuum. Der nächste Katholikentag wird in zwei Jahren in Leipzig sein, einer Stadt mit 4 % Katholiken und einer überwiegenden Mehrheit von Nichtchristen.
Dieter Kittlauß

Kittlauss Jun 2nd 2014 07:30 pm Aktuell,Katholische Kirche kontrovers,Was das Leben angeht Keine Kommentare bisher Facebook Kommentare

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