Die Rückkkehr der russischen Wittgenstein nach Deutschland

 

ter Sohn des kaiserlich russischen Feldmarschalls Fürst Ludwig Adolph Peter aus einem jüngeren Zweig der Berleburger Linie, kehrte 1848 mit seiner Gemahlin Leonilla Barjatinsky (1816–1918) aus Russland zurück, erhielt vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die Burg Sayn geschenkt und erwarb 1848 auch das am Fuß des Burgberges gelegene, im Kern mittelalterliche und später barock umgestaltete Herrenhaus, das zuletzt der Familie Boos von Waldeck gehört hatte. Noch im selben Jahr beauftragte der Fürst gemeinsam mit seiner russischen Frau Leonilla den französischen Architekten François Joseph Girard, den späteren Generalintendanten des Louvre in Paris, das Herrenhaus gemäß dem Zeitgeschmack im Stil der Neugotik zu einem Schloss umzubauen und zu erweitern. An seinem Ostende wurde durch Hermann Nebel von 1860 bis 1862 eine Doppel-Kapelle nach dem Vorbild der Sainte-Chapelle errichtet. Das Schloss wurde im Zweiten Weltkrieg kurz vor Kriegsende stark beschädigt. Es verfiel zur Ruine, nur die Außenmauern blieben erhalten, die Kapelle bleib weitgehend unbeschädigt. Erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde der Wiederaufbau geplant und unter Wiederherstellung der alten Bausubstanz durchgeführt. Im Jahr 2000 wurden die Arbeiten abgeschlossen. Heutiger Eigentümer ist Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn.

Schloss Sayn, (Sammlung Duncker Wikimedia).  Fürst Ludwig Adolph Friedrich zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (1799–1866), ältester Sohn des kaiserlich russischen Feldmarschalls Fürst Ludwig Adolph Peter, kehrte 1848 mit seiner Gemahlin, der russischen Fürstin Leonilla Barjatinsky (1816–1918) aus Russland nach Deutschland zurück. Er erhielt vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. die verfallene Burg Sayn, den Stammsitz seiner Vorfahren, geschenkt und kaufte von der Familie Boos von Waldeck das Herrenhaus am Fuß des Burgberges. Dieses ließ er durch den französischen Architekten François Joseph Girard im Stil der Neugotik umbauen. 1860 wurde nach dem Vorbild der Chapelle Saint Etienne eine Doppelkapelle angebaut. Das Schloss wurde im Zweiten Weltkrieg kurz vor Kriegsende stark beschädigt. In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts erfolgte mit staatlicher Förderung der Wiederaufbau.

 

 

Hintergrund

Die Aussiedlung der Seitenlinie Sayn-Wittgenstein-Berleburg-Ludwigsburg nach Russland und deren (teilweiser) Rückkehr nach Deutschland ist ein Teil  deutscher Geschichte und auch für die Heimatgeschichte bedeutsam. Mit dieser kleinen Studie wurde ein lesbarer Gesamtüberblick erstellt. Wichtige historische Ereignisse wie die Befreiungsbewegung gegen Napoleon, die Restauration durch den Wiener Kongress und die schrittweise Abschaffung von Adelsprivilegien sind der zeitgeschichtliche Hintergrund.

1. Von Berleburg nach Russland

Casimir zu Sayn-Wittgenstein 1741; Wikimedia

Casimir Graf zu Sayn-Wittgenstein 1741; Wikimedia

Nachdem 1712 Casimir Graf zu Sayn-Wittgenstein im Alter von 24 Jahren die Leitung der kleinen deutschen Grafschaft Berleburg übernommen hatte, pflegte er wie alle Landesherren der Barockzeit einen aufwendigen Lebensstil und entfaltete eine rege Bautätigkeit. Es entsprach aber ganz seiner pietistisch-philanthropischen Überzeugung, sich um seine beiden Brüder Carl-Ludwig und Ludwig-Franz zu kümmern. Deshalb baute er für diese eigene Herrensitze, die Carlsburg und die Ludwigsburg, und stattete sie mit dem erforderlichen Einkommen aus. Damit entstanden zwei nichtregierende Seitenlinien der Grafschaft Sayn-Wittgenstein-Berleburg, die Carlsburger und die Ludwigsburger.1 Mit dem Krisenjahr 1740 wurden Hungersnöte in ganz Europa zu periodisch wiederkehrenden Massenerscheinungen.2Nicht nur das einfache Volk sondern auch der Adel musste um sein Überleben kämpfen. Viele suchten einen Ausweg in der Auswanderung.

Graf Christian (1725-1797) zu Sayn und Wittgenstein, ein Nachkömmling der Ludwigsburger Linie, der unter Friedrich II. in der preußischen Armee Karriere gemacht hatte und im Siebenjährigen Krieg sogar zum General avancierte, folgte 1752 dem Ruf der deutschstämmigen Zarin Elisabeth zum Dienst in der russischen Armee, wo er bis zum Generalleutnant aufstieg. Um sich an den Kämpfen gegen die französische Revolutionsarmee zu beteiligen, kehrte Graf Christian 1790 nach Deutschland zurück, ließ aber seinen (dritten) Sohn Peter Christianowitsch Wittgenstein in Russland zurück.3

 

General Pjotr Christianowitsch Wittgenstein (russisch). Graf Ludwig-Adolph-Peter zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (deutsch). Gemalt 1820 von George Dawe.

General Pjotr Christianowitsch Wittgenstein (russisch).
Ludwig Adolph Peter Graf  zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (deutsch).
Gemalt 1820 von George Dawe.Wikimedia.

Pjotr Christianowitsch Wittgenstein (Graf Peter) wurde am 5. Januar 1769 in Nezin bei Kiew geboren und nach dem Tod der Mutter (1771) im Haus des Fürsten Saltykov erzogen, bis er in das Pagenkorps des Zaren aufgenommen wurde.
Mit 12 Jahren wurde Graf Peter Unteroffizier in der russischen Armee. Als russischer Berufsoffizier machte er in den Kriegen in Polen und im Kaukasus schnelle Karriere und wurde 1799 Kommandeur eines Husarenregimentes. Den Gipfel seiner militärischen Karriere erreichte Graf Peter während der Feldzüge gegen die Napoleonische Invasion (1812-1814) und wurde schließlich zum General der russischen Armee befördert.4 Mit seinen schnellen Husarenregimentern verhinderte er die Einnahme von Sankt Petersburg und erhöhte den Druck auf die französische Kontinentalarmee bei deren Rückzug. Während die Hauptarmee von Napoleon bei Studenka die Beresina – unter großen Verlusten – überquerten, gelang es den Wittgensteinschen Truppen ein ganzes französisches Korps zur Kapitulation zu zwingen. Der Zar verlieh dem erfolgreichen General den Wladimir-Orden und schenkte ihm 50.000 Rubel.
Wittgenstein unterstützte die Verhandlungen mit den preußischen Truppen unter General von Yorck, die schließlich am 30.12.1812 zurKonvention von Tauroggen und im Februar 1813 zum Bündnis zwischen Preußen und Russland führten.5

Konvention von Tauroggen 30. Dezember 1812; Unterschriften von General Yorck (für Preußen) und General Diebitsch (für Russland) ; Wikimedia 20151104.

Konvention von Tauroggen 30. Dezember 1812; Unterschriften von General Yorck (für Preußen) und General Diebitsch (für Russland) ; Wikimedia 20151104.

Am 7. März 1813 zog General Peter an der Spitze der preußisch-russischen Truppen in Berlin ein und wurde zeitweilig sogar zum Oberbefehlshaber der Vereinigten Armeen berufen. Am 19. Oktober 1813 eroberte er zusammen mit dem preußischen General von Kleist das Windmühlentor in Leipzig und gab damit der Leipziger Völkerschacht die entscheidende Wende. Im Februar 1814 wurde er leicht verwundet.6
1818 wurde General Peter in den russischen Reichsrat berufen und erhielt das Oberkommando über die 2. Armee. Sein Führungsstil und die menschliche Behandlung der Soldaten verschafften ihm und seiner Armee einen legendären Ruf in ganz Russland.
In seiner selbstlobenden Familiengeschichte7 schreibt Franz Prinz zu Wittgenstein-Sayn eine Laudatio auf den (körperlich) kleinen General Peter, der fast jeden Tag seiner Frau Antonia Cäcilie Snarska, die er 1798 geheiratet hatte, ein langen Brief in Französisch8 schrieb. Als der neuernannte Generalleutnant 1806 mit seiner Familie im Petersburger Zarenhof ein großes Haus beziehen kann, spürt man seine Sorge, ob sich seine geliebte Frau auch in der neuen Umgebung wohl fühlen werde. Franz zu Wittgenstein erzählt, wie der preußische Stabsarzt Roos durch General Peter nach dessen deutschen Verwandten in deutscher Sprache befragt wird. Offensichtlich hatte Peter als Russlanddeutscher auch Deutsch gelernt und gesprochen. Wegen seiner Verwundung kommt er erst mit Verspätung nach Paris. Die französische Metropole fasziniert ihn, so schreibt er in einem Brief; aber das Pariser Leben ist ihm zu teuer. Deshalb ist er nicht traurig, dass er mit seinen Husaren über Deutschland nach Russland zurückkehren muss. Der Durchzug der russischen Truppe wird zu einem Triumphzug. Über Trier, Koblenz und Köln führt Graf Peter seine Truppe bis nach Berleburg, wo er am 12. Juni 1814 die Stammburg seiner deutschen Vorfahren erreicht. An seine Frau schreibt er: “Wenn ich schon auf der ganzen Reise von Paris, meine gute Freundin, in jeder erdenklichen, oft recht ermüdenden Weise geehrt worden bin, so rührte mich doch die Begeisterung bei meinem Einzug in Berleburg am meisten. Du weißt, daß ich eigentlich von hier stamme, und daß jetzt mein Vetter Albrecht hier residiert. Ich wollte das Land, in dem meine Familie so lange angesessen ist, einmal kennenlernen, und machte deshalb den Umweg über Berleburg. Es ist ein sauberes, kleines Städtchen.“9

Schloss_Berleburg Wikipedia

Schloss Berleburg, 1733 wurde das Hauptgebäude im Barockstil erbaut. Bild: Wikipedia.

Für die Befreiungsbewegung wurde der deutsche General zu einer Symbolfigur. Ernst Moritz Arndt widmete ihm eines seiner Lieder:

„Uraltes Haus vom deutschen Rhein,
wie herrlich blühst du Wittgenstein!
In deiner Stammes Erben.
Fand Frankreich sein Verderben…..
Der Rest des mächt`gen Frankenheers
Ward Opfer des Kosakenheers.
Ward Opfer des Kosakenspeers;
Setzt irgendwo sich einer,
ihn jagt der Wittgensteiner.“

10

Die Popularität von General Peter zeigt auch ein Volkslied, in dem der deutsche General als einziger Heerführer mit Namen genannt wird:

„Ihr Brüder singt Viktoria,
denn die Preußen sind jetzt da.
Der tapfre Graf von Wittgenstein,
der rücket ins Französische ein.“11

Die Akademie der Wissenschaften in Erfurt ernennt den General als Befreier Deutschlands 1816 zum Ehrenmitglied.12 In Russland wird Graf Peter 1818 Mitglied des Staatrates und Oberbefehlshaber der 2. Armee. Zeitweilig leitet er die Truppen im Krieg gegen die Türken. 1825 verstarb plötzlich Zar Alexander. Bereits bei den Feierlichkeiten zur Thronbesteigung war es zu erheblichen Spannungen mit dem neuen Zaren gekommen, da sich Graf Peter offen und kritisch zu den Missständen in Russland geäußert hatte. Da Zar Nikolaus seine Abneigung gegen den „deutschen“ General nicht abbauen konnte, schied der zwischenzeitlich zum Generalfeldmarschall ernannte Graf Peter am 28. Februar 1829 aus dem russischen Militärdienst aus und zog sich auf sein Gut Kamenka zurück. Durch seine zahlreichen Siegesprämien war er sehr vermögend geworden, so dass er nach 1814 umfangreichen Grundbesitz erwerben konnte und diesen auch sehr erfolgreich verwaltete.13
Mit seiner Frau Antonia Cäcilie bekam Graf Peter 11 Kinder.14 einer der Söhne, Nikolaus, heiratete Carolina Iwanowska, die spätere „Muse“ von Franz Liszt.15 Da Peter in der deutsch–lutherischen Kirche St. Katharinen in Kiew getauft worden war, ließ er auch seine Kinder „in der Religion seiner Vorfahren“ taufen.

Sanct Katharinen Holzbau 11812, Festschrift der lutherischen Gemeinde, alle recht dort. Wikipedia.

Sanct Katharinen Holzbau 11812, Festschrift der lutherischen Gemeinde, alle Rechte dort. Wikipedia.

Als Graf Peter im Herbst 1833 seine Schwester Amalie Louise in Berlin besuchte, kam es zu zahlreichen Begegnungen mit dem gleichaltrigen König Friedrich Wilhelm III. Die Beziehung zwischen den beiden Männern war voller Respekt und sogar freundschaftlicher Zuneigung. Am 1. Mai 1834 verlieh der preußische König Friedrich Wilhelm III. dem russischen Generalfeldmarschall Peter Graf zu Sayn-Wittgenstein in Anerkennung seiner Verdienste um die Wiederherstellung Preußens den Fürstentitel. Einen Monat später wurde diese Ehrung durch Zar Nikolaus als russischer Titel anerkannt.16 Der russische Titel wurde in der Regel nicht primogen (für den Kronprinzen) verliehen, so dass ihn alle Nachkommen führen konnten.  Als beim Wiener Kongress (1814 – 1815) durch die fünf Großmächte Österreich, Russland, Preußen, Großbritannien und Frankreich die alte politische Ordnung in Europa wieder hergestellt worden war, verloren gleichzeitig die deutschen Fürstentümer durch die so genannte Mediation ihre landesherrliche Funktion, so dass der Fürstentitel nun zum Instrument der Auszeichnung werden konnte (Titularfürst). S.o. Der so hoch geehrte Fürst Ludwig Adolf Peter, starb am 11. Juni 1843 in Lemberg. Unter den zahlreichen Porträts dürfte am besten 1820 der englische Maler Georg Dawe, von Zar Alexander zum Hofmaler ernannt, die Gestalt von General Peter (1820) wiedergegeben haben.17

Ludwig Adolf Friedrich zu Sayn-Wittgenstein-Sayn; Wikipedia

Ludwig Adolf Friedrich zu Sayn-Wittgenstein-Sayn; Wikipedia

Nach dem Tod seines Vaters wurde der älteste Sohn Ludwig Adolf Friedrich Fürst zu Sayn -Wittgenstein  (als Primogenitus geboren am 8. Juni 1799 in Kowno) Haupterbe der russischen Wittgensteins.18 Wie sein Vater begann er schon im Kindesalter mit der militärischen Karriere, die aber 1826 abrupt beendet wurde, da er in den Verdacht kam, mit den Dekabristen19 zu sympathisieren. „Die einflussreiche Position und die großen Verdienste seines Vaters verschonten ihn vor Strafe.“20
1828 heiratete er in Sankt Petersburg Caroline Stefanie Radziwill aus einem der ältesten litauischen Fürstengeschlechter. In den vier Jahren ihrer Ehe wurden dem Paar zwei Kinder geboren: Peter und Marie. Am 26. Juli 1832 starb Caroline Stefanie im Alter von 23 Jahren. Durch die Ehe mit ihr war Fürst Ludwig Friedrich schon vor dem Tode seines Vaters ein reicher Mann. Spies nennt die Zahl von 50.000 leibeigenen Bauern, die mit seinen litauischen-polnischen und russischen Gütern verbunden waren.21 In den geschichtlichen Darstellungen wird oft verschwiegen, dass sich gerade im zaristischen Russland Besitz und Einfluss des Hochadels auf einer gnadenlosen Ausbeutung der leibeigenen Bauern speiste.

1834 heiratete Fürst Ludwig Adolph Friedrich auf Schloss Marino (Nähe Kursk) die 18jährige Prinzessin Leonilla Barjatinska, eine Tochter des russischen Feldmarschalls Fürst Ivan Barjatinsky. Dass Leonilla eine schöne Frau war, lässt sich aus den beiden Porträts des europäischen Hofmalers Franz Xaver Winterhalter erkennen.
Das ovale Porträt wurde wahrscheinlich 1936 gemalt, als Winterhalter das Paar auf seiner Hochzeitsreise in Rom traf. Leonilla trägt ein weites Oberteil, einen Spitzenschal, Ohrringe und Halskette. Das spätere Bild ist mit 1843 datiert und wurde in Paris gemalt.

Fürstin Leonilla gemalt 1843 vom deutschen Hofmaler Franz Xaver Winterhalter; Wikipedia

Fürstin Leonilla gemalt 1843 vom deutschen Hofmaler Franz Xaver Winterhalter; Wikipedia

Hier sitzt Leonilla auf einem niedrigen türkischen Sofa auf einer Veranda mit Blick auf eine südliche Landschaft. Sie trägt ein elegantes Kleid aus elfenbeinfarbener Seide mit einer rosa Schärpe um ihre Taille. Ein Purpurmantel umschließt den Rücken und fällt über ihre Arme. Sie schaut sinnlich auf den Betrachter und spielt mit einer Perlenkette. Leonilla wuchs in der luxuriösen Welt des Zarenhofes auf. Später schreibt sie: „ Ich erlebte damals, was man in Petersburg die tollen Tage des Karnevals nannte. Schlittenpartien, Diners und Bälle folgten einander wochenlang unaufhörlich. Mehr als einmal mußten meine Freundinnen und ich unsere durchgetanzten Satinschuhe durch neue ersetzen, mit denen wir uns in Voraussicht dieser Möglichkeit versehen hatten.“22 Friedrich und Leonilla bekamen vier Kinder, Friedrich, Ludwig, Antoinette und Alexander. Wie allgemein der europäische Hochadel unternahmen Friedrich und Leonilla viele Reisen und besuchten die europäischen Fürstenhöfe. Das Erleben der revolutionären Unruhen 1848 in Paris hatte sie allerdings tief erschüttert, so dass Leonilla schrieb:“Ich sah die Plünderung der Tulerien, sah die wütenden Megären schreiend über die Dächer laufen, Möbel und Gegenstände herabwerfen, Papiere schwenken…“[Ebd. S. 147f] In Berlin verstärkten die politischen Aueinandersetzungen und in Frankfurt die Eröffnung des Parlaments in der Paulskirche ihre Abneigung gegen die demokratischen Bewegungen, so dass sie sich nach einem ruhigen Leben irgendwo in der Provinz sehnte. Besonderen Einfluss auf Leonilla machte Rom, wo sie durch den Gatten ihrer Tochter Atoinette (geb. 1839), Chigi Albani aus der Familie der Rovere, enge Kontakte zur Päpstlichen Kurie bekam. Der Kirchenstaat und die Katholische Kirche erschienen ihr als letzter Hort des „Ancien Regime“.23 Die Konversion zum Katholizismus war die Konsequenz dieser Entwicklung, der später auch ihr Gatte folgte. Es ehrt Leonilla, dass sie sich einen Blick für das Elend der kleinen Leute bewahrte. Hier bleibt das kleine Waisenhaus in Erinnerung, das sie stiftete, sowie ihr intensives Bemühen, katholische Ordensschwestern nach Sayn zu holen, was ihr auch gelang. Zu erwähnen ist auch ihre Freundschaft zu dem italienischen Physiker-Theologen Don Luigi Cerebotani, der von 1880 sechs Jahre lang als Schlosskaplan wirkte und nebenbei eine Reihe bedeutsamer Erfindungen machte, (u..a. wird von den Chronisten die Erfindung der elektrischen Uhr genannt.)24 50 Jahre hat Leonilla ihren Gatten überlebt, mit dem sie eine glückliche Ehe führte. Ihre Liebe und Sorge galt ihren Söhnen und Enkeln, denen sie oft aus der Patsche half. Sie starb 1918 im Alter von 102 Jahren in der Schweiz.
Als der Thronwechsel in Russland 1825 zum Dekabristenaufstand führte, einer Revolte adliger Offiziere, die den Geist der europäischen Freiheitsbewegungen auch in Russland verwirklichen wollten, schlug der neue Zar Nikolaus diesen Aufstand mit Kanonen nieder, verurteilte die Rädelsführer zum Tode und schickte Hunderte von Offizieren in die Verbannung. Die Beibehaltung der Leibeigenschaft der Bauern, strenge Zensur und drastische Reisebeschränkungen vergifteten nun die gesellschaftliche Atmosphäre in Russland. Am 11. September 1834 kam es bei der Einweihung eines Denkmals für den verstorbenen Zaren Alexander zu einem Eklat. General Peter, der auf Weisung von Zar Nikolaus nicht eingeladen worden war, hatte sein Kommen erzwungen und wurde öffentlich durch den Zaren bloßgestellt. Deshalb entschloss sich sein Sohn Ludwig Adolf Friedrich, nach Deutschland zurückzukehren. In seinem Tagebuch schrieb er später: „Es gelang mir, meine Familie in ihre ursprüngliche Heimat nach Deutschland zurückzuführen, trotz der Hindernisse, die unüberwindbar schienen.“25

Die politische Gliederung Europas um 1850, Wikipedia

Die politische Gliederung Europas um 1850, Wikipedia

2. Die Auflösung von Sayn-Wittgenstein-Sayn

Um unsere Geschichte zu verstehen, bedarf es eines kleinen geschichtlichen Rückblicks ins 16. bzw. 17. Jahrhundert. In der kleinen Grafschaft Sayn-Wittgenstein übernahm 1558 Ludwig Graf von Sayn zu Wittgenstein (1532 geboren) mit 26 Jahren die Regentschaft. Ludwig (der Ältere) war hochgebildet, sein Tagebuch schrieb er meist in Latein. Er war aber auch ein strenger Calvinist, die Kirchen wurden in seinem Einflussbereich leer und kahl, weil er alle Bilder und die vielen Reliquienmemories herauswerfen ließ.

Ludwig Graf zu Sayn von Wittgenstein Ludwig der Ältere 1532-1605; Wikimedia

Ludwig Graf zu Sayn von Wittgenstein
Ludwig der Ältere 1532-1605; Wikimedia

Persönlich neigte er zum Pietismus und war sehr tolerant gegen religiös Verfolgte. Er lebte bescheiden, unterhielt aber einen kostspieligen Hof und war ein leidenschaftlicher Baumeister. Damit war er ein Kind seiner Zeit. Wie alle die damaligen Barockfürsten  lebte er in einer Art Schizophrenie. Pietistisch-Puritanisch-Calvinistisch in seiner ganz persönlichen Lebensführung, in Ausübung seines Amtes aber immer maßlos und ohne Rücksicht auf die Belastungen für die Bevölkerung. Als Nebenprodukte haben wir allerdings  heute viele Schätze der Kunst und Architektur.

Mehrere Jahre ernannte ihn der Pfälzer Kurfürst zu seinem Großhofmeister (und damit auch zu seinem Stellvertreter). Graf Ludwig hatte von zwei Frauen neun Söhne, von denen aber nur drei die Kindheit überlebten: Georg, Ludwig und Wilhelm. Mit Unterstützung des Pfälzer Kurfürsten regelte Graf Ludwig noch vor seinem Tod (1605) seine Nachfolge für seine Söhne. Georg wurde Berleburg als Stammsitz zugewiesen und wurde damit zum Haupt der gräflichen Linie Sayn-Wittgenstein-Berleburg.26 Ludwig erhielt Hohenstein und begründete damit die gräfliche Linie Sayn -Wittgenstein – Hohenstein. Wilhelm wurde Erbe des Sayner Grafen Heinrich IV., dessen Nichte Anna Elisabeth er heiratete und so die gräfliche Linie Sayn-Wittgenstein-Sayn mit der Sayner Burg als Stammsitz gründete.
Nach dem Wiener Kongress wurden die Berleburger und die Hohensteiner in die Liste des deutschen reichsunmittelbaren (nur dem Kaiser zugeordneten) Altadels eingetragen.27
Die Sayner jedoch hatten sich bereits aufgelöst.[ebd. Grafen und Herren, 64/Sayn] Diese Geschichte begann nach dem Tod des letzten Sayner Grafen Heinrichs IV.28 Die Kurfürsten von Trier, Köln und der Pfalz nahmen den Tod des alten Grafen Heinrich (1606) zum Anlass, um ihre Territorialansprüche auf die Grafschaft Sayn mit Gewalt und später auf juristischem Wege über das Reichskammergericht durchzusetzen. Die Auseinandersetzungen und Machtansprüche zogen sich über fünfzig Jahre hin und endeten schließlich nach dem Frieden zu Münster–Osnabrück, wo der Haupterbin, der Gräfin Luisa Juliane,29 für ihre beiden Töchter Ernestina und Johannette das Erbe zugesprochen wurde. Aber über deren Eheschließungen wurde die Grafschaft Sayn nicht nur geteilt, sondern löste sich schließlich in den nächsten hundert Jahren Schritt für Schritt in der deutschen Kleinstaaterei auf.30 Als es 1815 zum Gebietstausch zwischen Nassau und Preußen kam 31,wurden Bendorf, Sayn und Mülhofen endgültig preußisch.

In Sayn hatten die Jahre ihre Spuren hinterlassen. Die Eigentumsverhältnisse wechselten mit den politischen Veränderungen. Die alte Burg, 32 nun im Besitz der preußischen Krone als Rechtsnachfolger des Trierer Kurstaates, zerfiel nach und nach. Das Anwesen am Fuß des Burgberges, das lange Zeit der Trierer Beamtenfamilie von Reiffenberg gehört hatte, war 1753 durch Heirat an die Grafen Boos von Waldeck gelangt, die umfangreiche Umbauten durchführten.

3. Die Rückkehr nach Sayn

Auf seinen Reisen hatten Fürst Ludwig Adolph Friedrich zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg und seine Gattin Leonilla Koblenz besucht, wobei zum preußischen Statthalter Kronprinz Wilhelm und seiner Gemahlin Augusta freundschaftliche Beziehungen gewachsen waren. Dabei haben die Wittgensteins auch Sayn, den ursprünglichen Stammsitz ihrer Familie besucht. Der Burgberg mit seiner weiten Aussicht auf den Rhein hat sie wohl sehr beeindruckt, so dass in ihnen der Gedanke reifte, sich in Sayn niederzulassen.

Burgruine Sayn 1832, Stich von Tombleson; Wikimedia

Burgruine Sayn 1832, Stich von Tombleson; Wikimedia

 

Als der Koblenzer Landrat, Graf Boos von Waldeck, die Absicht zeigte, sein Sayner Anwesen zu verkaufen, ergriff Fürst Ludwig Friedrich die Gelegenheit, das Waldecksche Rittergut, mit allen Ländereien, Rechten und benachbarten Liegenschaften zu kaufen. Am 20. Juli 1848 wurde in Koblenz der Kaufvertrag für 125.000 Taler unterzeichnet. Ganz im Sinne der Rheinischen Burgenromantik und in der Hoffnung in Sayn die „Auferstehung“ einer weiteren Burg zu ermöglichen, schenkte der preußische König Friedrich Wilhelm IV. am 30. September 1848 Ludwig Adolph Friedrich Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg die alte Burgruine.
Eigentlich hatte Wilhelm IV. diese Schenkung bereits an General Peter vorgesehen, war aber durch dessen Tod daran gehindert worden.33 Nun konnte er die Schenkung gegenüber dessen ältesten Sohn vornehmen. Die ersten Planungen, die alte Burgruine zu einem großen Schloss umzubauen, mussten aus Kostengründen aufgegeben werden. Stattdessen wurde der französische Architekt Girard, den der Fürst bei seinen Pariser Aufenthalten kennengelernt hatte, mit dem Umbau des Waldeckschen Herrenhauses zu einem repräsentativen Schloss beauftragt.
Ludwig Adolph Friedrich und Leonilla „schwammen in Kapital“, aber dieses Geld befand sich bis auf kleinere Grundstücke in Russland und zwar meist gebunden in Liegenschaften, Wertpapieren und Einkommensrechten. Um sich nicht durch eine Kapitalausfuhrsperre des Zaren zu blockieren, übertrug Friedrich seinen russischen Besitz an seinen in Russland bleibenden Sohn Peter aus erster Ehe.34 An Peter wurde der gesamte väterliche und mütterliche Besitz in Russland übertragen. Nur das Gut Kamenka fiel erst nach dem Tod Friedrichs an die Erbmasse. Auch die weiteren Darstellungen beziehen sich weitgehend auf den Artikel von Spies. Nach dem Primogenitätsrecht (Erbrecht des erstgeborenen Sohnes) konnte dadurch ein Einspruch des Zaren umgangen werden. Vertraglich wurde Peter verpflichtet, die Käufe der Liegenschaften in Deutschland und den neuen Haushalt des Fürsten zu finanzieren. Aber für diesen Kapitaltransfair von Russland nach Preußen gab es für Ludwig Adolph Friedrich mehr Schwierigkeiten als er voraussehen konnte.

Neben seiner Absicht, den vor 250 Jahren verloren gegangenen Stammsitz Sayn zurückzugewinnen, wollte Friedrich seinen Söhnen (aus zweiter Ehe) durch Grundbesitz die standesmäßige Versorgung in Deutschland und die Standesrechte einer reichsständischen Adelsfamilie sichern. Deshalb hatte er bereits 1855 mit den Berleburger und Wittgensteiner Fürstenhäusern einen Vertrag abgeschlossen, durch den er als Chef der ausgestorbenen Familienlinie Sayn-Wittgenstein-Sayn anerkannt werden sollte. Hilfsweise war in einem zweiten Vertrag vorgesehen, durch die Übertragung der Herrschaft Homburg, die zur alten Grafschaft Sayn gehört hatte, die Ansprüche zu untermauern. Zur Realisierung dieses Vorhabens gehörte die Vereinbarung von 1859 mit dem letzten Carlsburger35 Christian Ludwig Carl Wilhelm Friedrich, Graf zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg-Carlsburg, wodurch dieser an Fürst Ludwig Friedrich alle Rechte eines Oberhauptes der Speziallinie Sayn-Wittgenstein-Berleburg-Carlsburg übertrug. Alle diese Verträge waren mit detaillierten Zahlungsverpflichtungen abgesichert.36

Russischer Rubel 1723; Wikipedia

Russischer Rubel 1723; Wikipedia

Der „Erbverbrüderungsvertrag“ (so Spies) der Wittgensteiner verlangte aber nach der Rechtslage die Bildung eines Fideikommissvertrages für die erneuerte Familienlinie Sayn-Wittgenstein-Sayn, der den Familienbesitz (Geld, Liegenschaften, Rechte) für den jeweiligen Haupterben schützte und vor (der früher üblichen) Erbteilung sicherte. Nach dem Vertrag von 1855 zwischen den Wittgensteinern sollte das vorgesehene Fideikommisskapital für die erneuerte Grafschaft Sayn-Wittgenstein-Sayn folgende Posten umfassen:
Ausgelöste Wittgensteiner Erbansprüche in Höhe von 200.000 fl.; die Besitztümer und Liegenschaften der Seitenlinien Carlsburg und Ludwigsburg, die damit aus der Hauptlinie Sayn – Wittgenstein-Berleburg ausschieden; die Liegenschaften in Sayn und 425.000 Taler bares Kapital zum Ankauf weiterer Liegenschaften.

Fürst Ludwig Friedrich hatte aber noch höhere Ziele. Er wollte für die erneuerte Adelsfamilie Sayn – Wittgenstein – Sayn die Anerkennung als reichsunmittelbarer Adel im Sinne der alten „Reichsherrlichkeit“ und damit die Gleichwertigkeit mit den Grafschaften Sayn–Wittgenstein-Berleburg und Sayn–Wittgenstein–Hohenstein. Gewissermaßen sollte so die dritte Hauptfamilie der Sayn-Wittgensteiner restauriert werden.

Doch dazu bedurfte es in jedem Fall der Anerkennung durch den preußischen König, da hier Recht des Deutschen Bundes berührt wurde. Deshalb wurde der Vertrag von 1855 zu seiner Rechtsgültigkeit an die Bedingung geknüpft, „daß der König von Preußen ihn bestätigt und dem Fürsten Ludwig (Adolph Friedrich) als Chef der in seiner Person gestifteten dritten Hauptlinie des Fürstlichen Gesamthauses eine gleiche ständische Berechtigung, wie solche für die Hauptlinien Sayn-Wittgenstein-Hohenstein und Sayn-Wittgenstein-Berleburg anerkannt wurden und überhaupt diejenigen Vorrechte, welche durch Art. XVI. der Deutschen Bundesacte vom 8ten Juni 1915 und §23 und 43 der Wiener-Congress-Acte vom 9ten Juni 1815, so wie durch die spätere Bundesgesetzgebung den Häuptern der vormals reichsständischen Häuser zugesichert sind, mit dem Rechte der Vererbung auf seine männliche Nachkommenschaft aus ebenbürtigen Erben nach den Grundsätzen der Primogenitur-Ordnung verleiht.“ 37. Mit anderen Worten, die erneuerte dritte Hauptlinie Sayn-Wittgenstein-Sayn sollte in die Rechtsnachfolge der aufgelösten Grafschaft Sayn-Wittgenstein-Sayn treten.

Hier bedarf es einer Erläuterung. Bereits Napoleon hatte durch das Instrument der Mediadisierung (Mittelbarkeit bzw. Unterstellung), den vielen kleinen Landesherrschaften ihre Reichsunmittelbarkeit genommen.(Rheinbundakte). Mit dem Reichsdeputationshauptschluss 1803 wurden deshalb unter dem französischen Einfluss nicht nur die geistlichen Herrschaften aufgelöst (Säkularisierung), sondern auch diese Mediadisierung legalisiert, um den vielen reichsunmittelbaren Landesherrschaften (deutsche Kleinstaaterei) ihre politische Autonomie zu nehmen. Auf dem Wiener Kongress 1815 wurde diese Mediadisierung in einer Bundesakte gesetzlich verankert. Der Deutsche Bund bestand nun aus den souveränen Königreichen (sowie einigen größeren Städten), während alle anderen bisherigen Fürsten und Grafen sowie die anderen reichsunmittelbaren Städte unterstellt waren.  In der Bundesakte wurden aber auch die Rechte der Mediadisierten festgeschrieben, wozu die Standesrechte (Titel, Namen und Erbrecht), Eigentumsrechte und eigenes Hausrecht gehörten.
Fürst Ludwig Adolph Friedrich wollte also wieder in die Gruppe der mediadisierten Landesherren aufgenommen werden. Deshalb beantragte er sofort nach dem Abschluss des Vertrages von 1855 beim preußischen König Wilhelm IV. die Genehmigung des Wittgensteiner Vertrages und die reichsständige Anerkennung der neuen Hauptlinie Sayn – Wittgenstein – Sayn. Doch die Antwort des Preußischen Staatsministeriums musste wie eine eiskalte Dusche gewirkt haben. Das Ministerium gab zwar am 8. Januar 1857 seine Genehmigung zum Abschluss eines Fideikommissvertrages, verwies aber die reichsständische Anerkennung an die Zustimmung der deutschen Bundesversammlung. Vorsorglich wies das Preußische Staatsministerium in demselben Schreiben mit ausführlicher Begründung darauf hin, dass die Anerkennung der „Reichsherrlichkeit“ (also als ehemals regierende Landesherrschaft) nach seiner Ansicht nicht zu erbringen sei. Das Ministerium bemerkte, dass der letzte Graf zu Sayn-Wittgenstein-Sayn sein reichsständisches Gebiet und alle Ansprüche auf die Grafschaft Sayn gegen Rentenansprüche an Baden und die Häuser Nassau verkauft habe.38 Deshalb habe es bei der Reichsbildung 1802 nur die beiden Grafschaften Wittgenstein–Berleburg und Wittgenstein-Hohenstein als reichsständische Häuser gegeben und nur diese seien in der Bundesakte als solche aufgeführt. Eine neue Verleihung käme aber nicht in Betracht. Diese Entscheidung des Preußischen Staatsministeriums beruhte auf der Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht. Privat kann Fürst Ludwig Adolph Friedrich sein Erbe ordnen und für seine Erben sichern, auch seinen Verdiensttitel „Fürst“[ 41.Im Unterschied zu den regierenden Fürsten und Grafen war der verliehene Titel „Fürst“ lediglich eine Ehrung wie ein Orden, konnte aber vererbt werden. Deshalb fiel er nicht auf die Ausnahmeregel der Weimarer Verfassung sondern wurde wie alle anderen Adelstitel annulliert, wie später erläutert wird.] kann er führen und vererben (da dieser nicht aufgrund von alten Rechten sondern aufgrund von Verdiensten dem General Peter und seinen Nachkommen verliehen wurde); aber daraus können keine (neuen) öffentlichen Ansprüche und Rechte entstehen – so argumentiert das Ministerium ohne Wenn und Aber.[Alles bei Spies, Gründung.] Gegen diese Einlassung des Preußischen Staatministeriums hatte Fürst Ludwig Adolph Friedrich keine Argumente. Der Rückweg für die neue Hauptlinie Sayn-Wittgenstein-Sayn in die Gemeinschaft des verbrieften reichsunmittelbaren Adels war verschlossen. Deshalb verzichtete Fürst Ludwig auf einen Einspruch und konzentrierte sich nun auf den Abschluss eines einfachen Fideikommissvertrages für das Schloss Sayn und seine Liegenschaften. Zwar gaben die Chefs der beiden Wittgensteinschen Hauptlinien ihre Zustimmung zum Namen „zu Sayn-Wittgenstein-Sayn“, aber Fürst Ludwig Friedrich hatte Schwierigkeiten, die auf dem Saynschen Besitz liegenden Verbindlichkeiten zu tilgen, da der Kapitalzufluss aus Russland stockte. Die vorhandene Kapitalsubstanz war für drei Fideikommisse auch viel zu klein. Am 31. Oktober 1860 schrieb der Prinzregent Wilhelm als Statthalter der preußischen Rheinprovinz, daß „die Bestätigung der Familienstiftungen erst dann erfolgen kann, wenn die Familien-Fideikommisse vollständig errichtet, von dem kompetenten Fideikomißgericht bestätigt, und die Provinzialbehörden über die in denselben getroffenen autonomischen Bestimmungen gehört worden sind; daß ich jedoch geneigt bin, nach Erledigung dieser Bedingungen die Bestätigung zu ertheilen.“39 Dann macht der Statthalter noch eine bedeutsame Anmerkung: „Die Beilegung (> im Sinne von Übernahme) besonderer Familiennamen durch die Fideikommißinhaber (>also die Erben) wird nur unter der Voraussetzung bestätigt werden können, daß ´daraus für die zu gründenden Spezial-Linien und deren Chefs eine staatsrechtlich mehr bevorzugte Stellung, als die, welche Eurer Liebden für Ihre Peron und Besitzungen zusteht, nicht herzuleiten ist.“40 In der preußischen Kanzleisprache hieß das: Die Erben tragen denselben Namen wie der Erblasser und haben auch denselben Rang. Nach der Standeshierarchie der neuen Zeit haben die Erben des Fideikommisses Sayn-Wittgenstein-Sayn keinen Anspruch auf Rang und Titel des ehemals reichsunmittelbaren Adels. Fürst Ludwig Friedrich wurde von seinen Juristen geraten, auch diese Pläne aufzugeben, und lediglich einen Fideikommiss für den ältesten Sohn (und dessen Nachfolger) und auch nur auf den schuldenfreien Besitz des Rittergutes Sayn zu beantragen. Am 23. September 1861 traf die Urkunde ein, „so daß das Rittergut Sayn als unveräußerlicher Familienbesitz rechtlich abgesichert war; Ludwig Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg durfte sich von nun an „zu Sayn-Wittgenstein-Sayn“ nennen. Er musste sich außerdem verpflichten, 1.575.000 Rubel aus Russland nach Preußen zu transferieren, dafür Liegenschaften zu kaufen und diese in das Fideikommisskapital einzubringen. Damit war die dritte Hauptlinie des Hauses Sayn – Wittgenstein erneuert, doch die standesrechtliche Anerkennung als (ehemals) reichsständischer Adel blieb ihr verwehrt. König Wilhelm von Preußen blieb aber seinem Freund Ludwig Adolph Friedrich treu und verlieh ihm (gewissermaßen als Trost) das persönliche und erbliche Recht eines Mitgliedes im preußischen Herrenhaus.41
Fürst Ludwig Adolph Friedrich zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, einer der reichsten Männer Europas,42 starb am 20. Juni 1866 in Cannes. Seine Nachkommen konnten noch lange von seinen Besitztümern in ganz Europa ganz gut leben.

4. Exkurs: Erbfolge

Um Besitz und Namen für die nächsten Generationen zu sichern, hatte der europäische Adel mehrere juristische Instrumente. Die Primogenitur (Erbrecht des Erstgeborenen) und der Fideikommiss (Bildung einer unteilbaren Erbmasse) wurden bereits erwähnt. Ebenso wichtig war die Legitimität, wonach nur die Kinder aus legal geschlossener Ehe in die Erbfolge einbezogen wurden. Durch Hausgesetze konnten die Familien (Linien) Einzelheiten festlegen; z.B. die Einbeziehung von Frauen in die Erbfolge oder die Erbfolge bei Ausfall des Erstgeborenen. Besonders wichtig war auch das Prinzip der Ebenbürtigkeit, also die (komplizierten und territorial unterschiedlichen) Regeln für eine standesgemäße Heirat. Eine Ehe, die nicht den Regeln der Ebenbürtigkeit entsprach, galt als „Missehe“ (bzw. morganatische Ehe). Sie führte oft zum Verlust der Erbfolge und des Adelsnamens. Zu erwähnen ist hier die Stiftung von interessenorientierten Ehen. In der Königlich-Kaiserlichen Monarchie Österreich-Ungarn galt der Grundsatz: „Alii pugnant tu autem felix Austria nube“ (die anderen mögen Kriege führen, du aber glückliches Österreich heirate). Durch die Heiratspolitik entstanden quer durch ganz Europa Verwandtschaftsbeziehungen, die aber keineswegs verhinderten, dass man bei entsprechender Interessenlage die Völker in den Krieg trieb. Die so genannten Erbfolgekriege haben halb Europa nicht nur einmal verwüstet. Manchmal war auch die Stimmungslage des verwandtschaftlichen oder des allgemein politischen Umfeldes entscheidend, ob aus „bürgerlichem Blut blaues Blut“ entstehen konnte. Alexander Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Sayn erwähnt in seinem Buch „Sayn – Ort und Fürstenhaus“ ein Beispiel solcher „Adelsheilungen“: Friedrich zu Sayn-Wittgenstein-Sayn war Rittmeister im 2. Preußischen Garde-Dragonerregiment und galt als „einer der beliebtesten Kavaliere des Berliner Hofes. Während des Krieges gegen Frankreich wurde durch irgendeinen Zufall bekannt, daß er sich ohne Einwilligung des Chefs seines Hauses und seiner militärischen Vorgesetzten mit einer jungen Berlinerin Pauline Lilienthal, einer der schönen Schwestern Lilienthal` heimlich verheiratet hatte. Das Kammergericht erklärte die Ehe 1871 für ungültig, und die beiden Kinder, die ihr entsprossen waren, bekamen vom alten Kaiser am 3. Juli 1876 den Adel unter dem Namen `v. Falkenberg`. Dem Prinzen wurden seine Sünden vergeben, er diente bis zum Major bei den Kasseler Husaren fort, aber dann verschenkte er (1876) sein Herz zum zweiten Male, diesmal allerdings wenigstens unter Wahrung der Gesetzesvorschriften, an ein bürgerliches Mädchen, an die Schauspielerin Fräulein Wilhelmine Hagen: Jetzt wurde er in einen `Grafen von Altenkirchen`verzaubert, aber nachdem er große Güter in Rußland geerbt hatte und russischer Untertan geworden war, nahm ihn der Zar unter die Fürsten seines Reiches auf, und auf diesem Wege erhielt er seinen alten Namen und Titel wieder, freilich nicht mehr die Zugehörigkeit zum hohen deutschen Adel – was den munteren und witzigen alten Herrn durchaus nicht weiter schmerzte.“43
Die französische Sprache als Verkehrssprache ermöglichte Bindungen über alle Staatsgrenzen hinweg. Die europäische Kultur und das einheitliche Bildungssystem (wozu eine intensive Spracherziehung gehörte) waren allgemeine Grundlage für den reibungslosen Austausch über alle Grenzen hinweg.   Der letzte Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus lernte am Sächsischen Hof als Kind Französisch, Latein, Griechisch und Italienisch. Um Polnisch zu lernen, bekam er zwei polnische Pagen als Spielgefährten. Von den Chronisten wird eigens erwähnt, dass er später Briefe in Deutsch schreiben konnte. Vom preußischen König Friedrich II. ist bekannt, dass er Deutsch nur sporadisch sprach.  Deshalb konnte die deutsche Prinzessin Katharina Gemahlin des russischen Thronfolgers werden und sich am russischen Hof auch mit allen unterhalten. Die so genannte Prinzenreise (Kavalierstour) gehörte zum System der Erziehung des Hochadels, um Kontakte zu knüpfen und Erfahrungen zu sammeln. 44
.
Es gab außerdem viele Schlupflöcher, um „notorische Mißheiraten“ zu heilen,45 wobei bei Frauen die „Heilung“ leichter war als bei Männern. Nach dem Grundsatz „Ritters Weib hat Ritters Recht“ wurde eine nichtadlige Frau geadelt, wenn sie einen adligen Mann heiratete. Aus einer Frau Anneliese Meier konnte so eine Gräfin werden. Umgekehrt verlor eine adlige Frau durch Heirat eines nichtadligen Mannes alle Recht aus ihrem adligen Stand. Dies galt jedenfalls generell für den ganzen niederen Adel.46Nach dem Allgemeinen Landrecht von Preußen 1794 bedurfte es auch der vorherigen Genehmigung des Königs, wenn ein Mitglied des Höheren und Hohen Adels eine Adoption vornehmen wollte, bei der die Ebenbürtigkeit nicht gegeben war.

5. Niedergang einer Familie

Fürst Ludwig Adolph Friedrich hatte aus seiner ersten Ehe mit Comtesse Stefania Radziwill 2 Kinder: Peter und Marie. Aus der Ehe mit Leonilla kamen als lebende Kinder: Friedrich, Ludwig und Alexander sowie Antoinette. Nach dem Willen des Vaters, war Peter in Russland geblieben und sollte hier das Vermögen (inklusive die Besitzrechte der ganzen Familie) verwalten. Marie heiratete in den deutschen und Antoinette in den italienischen Hochadel. Mit allen vier Söhnen aber gab es massive Probleme: Frauengeschichten, Mangel an sozialer Verantwortung, Verschwendung des Vermögens, Pleiten und Prozesse. Der ererbte Reichtum verführte zu einem bequemen und verschwenderischen Leben. Je stärker sich auch in der europäischen Adelsgesellschaft die „romantische Ehe“,47 also die Ehe aus beiderseitiger Liebe, durchsetzte, umso anfälliger wurde das System der standesgemäßen Heirat. Die adlige Namensgebung täuschte die früher den Titeln zugrundeliegende gesellschaftliche Aufgabe und soziale Verantwortung nur noch vor. In Wirklichkeit lebten die bedeutungslos gewordenen Adelsfamilien oft nur noch für ihren Besitz, ihre Familie, ihre Karriere, ihren Ruhm und ihre Hobbys – also so wie viele andere Menschen auch. Jedenfalls war dies ein unaufhaltsamer Trend. Dass nicht nur nach den Weltkriegen der Wiederaufbau der Familienburgen und –schlösser – also die Pflege und Restauration des eigenen Besitzes – zu einer Aufgabe im Rahmen der Denkmalpflege wurde, damit einen besonderen gesellschaftlichen und kulturellen Wert erhielt, war vielleicht sogar ein Glücksfall. Es ist nicht Aufgabe dieser Studie Familieninterna im Stil der Regenbogenpresse darzustellen. Deshalb sollen, um die ganze Dramatik der Entwicklung besser zu verstehen, nur einige Beispiele wiedergegeben werden, die Alexander, Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, selbst erzählt.48 Peter Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, verwaltete zunächst sehr erfolgreich die riesigen Güter seines Vaters, die er in Russland übernommen hatte. Wie sein Großvater wurde er Offizier im russischen Heer. Doch als ihn der Zar als Militärattaché nach Paris schickte, verliebte er sich in Rosalie Léon, Schauspielerin und Model der Pariser Hautevolee. Er baute ihr ein Schloss in der Bretagne und ist verliebt bis in beiden Ohren. Als sie aus Lebensdruss Suizid begeht, trauert er bis zu seinem Tod 1887. Das zweite Beispiel ist Alexander Fürst zu Sayn-Wittenstein-Sayn. Dieser heiratete nach dem Tod seiner ersten Frau die Erzieherin seiner Kinder (Helene Kròlikowska) und musste deshalb auf Erbfolge und Namen verzichten.49 Als Graf von Hachenburg führte er dann ein abenteuerliches Leben. Mit 60 Jahren meldete er sich beim Ausbruch des ersten Weltkrieges bei einem Jägerregiment. Geld auszugeben, war einer seiner Lebensinhalte. Doch wie Phönix aus der Asche fand Alexander ständig neue Geldquellen und neue Aufgaben. Seine Leidenschaft war die Familiengeschichte, weshalb er Schloss Friedewald wieder aufbaute, das einst der letzte Sayner Graf Heinrich IV. für seine Geliebte gebaut hatte, die er allerdings später hier im Keller einsperrte. Alexander war volksverbunden und engagierte sich in vielen Vereinen. In Hachenburg liebt man ihn bis heute. Zum 75. Todestag des Grafen am 15. August 2015 lud der Hachenburger Geschichtsverein zu Gottesdienst und Festveranstaltung mit vier Vorträgen ein. Das dritte Beispiel ist Friedrich Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, der wegen seiner hohen Verschuldung aus der Erbfolge gestrichen werden musste. Dazu musste nach der Rechtlage der preußische König zu Hilfe herangezogen worden, um die Veränderung der Erbfolge zu legalisieren. 50 Der Autor erzählt auch die Geschichte von seinem Onkel Ludwig, wie dieser von seinem Bruder Friedrich die Leitung des Fideikommisses übernahm, aber sich schon nach kurzer Zeit in die schöne Amalie Lilienthal verliebte. Doch Leonilla gefiel ihre neue Schwiegertochter. Das Paar wurde festlich empfangen und durfte in Sayn eine glückliche Ehe führen. Sie machten viele Reisen, bis Ludwig ganz plötzlich 1876 in Rom starb. „Als die Witwe mit dem Leichnam ihres Mannes wenige Tage später nach Sayn zurückkehrte, waren die Türen des Schlosses bereits auf Veranlassung ihres Schwagers Friedrich versiegelt. Generalverwalter Strauß hatte die strikte Anweisung, ihr das Betreten des Schlosses, auch ihrer Privatgemächer, zu versagen. Fürstin Amalie musste im Hotel Ball übernachten. Verbittert über diesen Affront, beschloß sie kurzerhand, ihren verstorbenen Mann nicht in der Familiengruft unter der Schloßkapelle, sondern auf dem Sayner Friedhof zu begraben. Die Bevölkerung kam geschlossen zu Beerdigung am 9. März 1876, um sich von ihrem Fürsten zu verabschieden. Kein einziges Mitglied der Familie war erschienen. 51
Alle vier Söhne liebten und lebten in vollen Zügen, hatten für ihre Liegenschaften Verwalter, so dass sie nicht gebunden waren und große Reisen machen konnten; ließen sich (wie es üblich war) gern in ihren Uniformen mit allen Orden und die Frauen in luxuriösen Kleidern malen und fotografieren, reisten in der Welt herum und genossen es, sich als bedeutende Persönlichkeiten hofieren zu lassen. Für das einfache Volk waren sie gerade deshalb Ikonen, die man verehrte, wurden oft zu Idolen eigener Sehnsüchte.

6. Egalisierung der Standesgesellschaft

In Russland wurde der Adel seit der Machtergreifung durch die Bolschewiki vertrieben und umgebracht, nach der politischen Wende aber wieder restauriert. In Deutschland wurden durch die Sozialdemokraten die öffentlich-rechtlichen Vorrechte des Standes zum 11. August 1919 abgeschafft: „Adelsbezeichnungen gelten nur als Teil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.“ (Artikel 109 der Weimarer Verfassung). Ehemaligen regierenden Fürsten wurde jedoch zugestanden, den Titel „Fürst“ zu Lebzeiten (wie eine Leibrente) zu führen, ohne dass dieser allerdings vererbt werden konnte. Bei dem von den Linksparteien in Deutschland geforderten Volksentscheid über die „Abschaffung des Fürstenvermögens, der am 20. Juli 1920 durchgeführt wurde, konnte die geforderte absolute Mehrheit nicht erreicht werden. Deshalb wurden die Eigentumsfragen administrativ geregelt. In der DDR wurde eine Entwicklung ähnlich wie in der Sowjetunion eingeleitet.
In Österreich (wie auch in den Nachfolgestaaten der k.k. Monarchie) war man durch das Adelsaufhebungsgesetz vom 3. April 1919 radikaler, indem die Adelsnamen gänzlich abgeschafft und unter Strafe verboten wurden . 52
Durch die neue Gesetzgebung wurde auch die Familie zu Sayn-Wittgenstein-Sayn berührt. In Sayn war Fürst Stanislaus zu Sayn-Wittgenstein-Sayn von den Neuerungen 1919 betroffen. Da sein Fürstentitel, den die Familie von General Peter geerbt hatte, eine Ehrenauszeichnung war (kein Titel für frühere Regierungsgewalt), fiel er nicht unter den Vorbehalt der Verfassung und entfiel auch für ihn. Die Familie zu Sayn-Wittgenstein-Sayn hatte nun lediglich einen besonderen Namen, gewissermaßen in Erinnerung an frühere Zeiten ähnlich wie die Müller-Hohenstein oder Weber-Goldschmied; der Ehrentitel Prinz bzw. Prinzessin als Teil des Namens, konnte wie ein Trostpflaster bzw. Abschiedsgeschenk der deutschen Sozialdemokratie wirken. In der nächsten Generation der Sayner Familie gab es allerdings eine bemerkenswerte Entwicklung. Ludwig Heinrich Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Sayn heiratete Marianne Mayr-Meinhof eine Österreicherin, die nach österreichischem Recht ihren Adelstitel bereits verloren hatte. Durch die Heirat übernahm aber nach reichsdeutschem Recht die Ehefrau den Namen ihres Mannes, und hieß nun Marianne Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, den sie aber in Österreich nicht führen darf. In der Regenbogenpresse wurde breit gewalzt, dass Marianne Sayn-Wittgenstein-Sayn bei den Salzburger Festspielen Aufsehen erregte, als sie forderte, mit“ ihre Durchlaucht“ angeredet zu werden.  Dennoch hat sich die Familie zu Sayn-Wittgenstein-Sayn neue, allgemein anerkannte Verdienste, mit der Restaurierung des Burgbergs, mit dem Schmetterlingspark und dem Wiederaufbau des Sayner Schlosses erworben. Neben günstigen Faktoren wie die erheblichen öffentlichen Mittel, die Wandlungsmöglichkeit von Grundstücken in Bauland und die zeitweilige Übertragung von öffentlichen Aufgaben, haben Engagement und ein erfolgreiches Geschäftsgebaren der ganzen Familie zum Erfolg beigetragen. Dies weiß die Öffentlichkeit zu schätzen.

Ausblick

In Deutschland ist durch das neue Namens-, Kindes- und Adoptionsrecht einer breiten Liberalisierung Tür und Tor geöffnet. Auch der Titel „Fürst“ ist nicht geschützt und wenn er von dem jeweiligen „Chef“ einer Adelsfamilie gebraucht wird, hat dies keinerlei öffentlich-rechtliche Bedeutung, denn spätestens beim nächsten Gang zum Rathaus muss der Fürstentitel zu Hause bleiben. In Deutschland ist es niemandem verwehrt, sich einen vornehmen Namen an die Haustür zu heften, sofern dieser nicht öffentlich-rechtlich, also amtlich, gebraucht wird. Doch der Widerspruch zwischen gesetzlicher Wirklichkeit (nur Name) und gesellschaftlichem Anspruch (Rang) ist offensichtlich. Das rege Interesse an Adelsgeschichten im Volk (und deshalb auch in den regenbogenfarbigen Medien) und die wachsende Bedeutungslosigkeit der jahrhundertealten Standesgesellschaft sind zwei völlig parallellaufende Entwicklungen. Die Globalisierung von Öffentlichkeit und Politik lässt aber eher vermuten, dass die Einordnung der Adelswelt in den Unterhaltungssektor zunehmen wird. Je mehr Adelstitel zum Begehr von finanzkräftigen Menschen (also legale Handelsware) werden, umso bedeutungsloser werden sie im realen Leben.

Wiederaufgebautes Schloss Sayn; Wikipedia 4.11.2015

Wiederaufgebautes Schloss Sayn; Wikipedia 4.11.2015

—————————————————————————————————————————-
Alle Rechte dieser Studie bleiben beim Autor. Einer privat-unkommerziellen Verwendung wird zugestimmt.
Dieter Kittlauß, Koblenz-Olper-Straße 115, 56170 Bendorf /Rhein;
Tel. 0 / 2622 / 13551 ;Email: dieter.kittlauss@online.de
Webseiten: www.bendorfer-lehrhaus.de (privat); www.bendorf-geschichte.de (GGH)

——————————————————————————————————————————–

  1. Wikipedia 20.10.2015; Artikel “Sayn Wittgenstein“
  2. Wikipedia 20.10.2015; Artikel “ Hungersnöte“.
  3. Hans-Bernd Spies, die Hintergründe der Rückkehr des russischen Zweigs der Familie Wittgenstein nach Deutschland; http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/txt/wz-5987.pdf *** Elisabeth Spies-Hankammer, Ein Mitglied aus rheinisch-westfälischem Adelsgeschlecht in russischen Diensten-Ludwig Adolph Peter Graf von Sayn Wittgenstein-Berleburg in den Feldzügen 1812-1814, Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte 1989 – 6. Jahrgang *** Wikipedia 20.10.2015 Artikel „Ludwig Adolph Peter zu Sayn-Wittgenstein“. *** Franz Prinz zu Sayn-Wittgenstein, Die Wittgenstein, Prestel Verlag München 1979 *** Sayn – Ort und Fürstenhaus, hrsg. Alexander Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, Selbstverlag Bendorf-Sayn 1979; hier: Elisabeth Spies-Hankammer, Ludwig Adolph Peter Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg; in Sayn – Ort und Fürstenhaus.
  4. Paul Holzhausen, Die Deutschen in Russland 1812, Berlin 1912
  5. Wikipedia 20.10.2015 Artikel „Konvention von Tauroggen“.
  6. ebd. Die Wittgenstein
  7. ebd.Die Wittgenstein
  8. Französich war die Verkehrssprache des europäischen Adels im 18. und 19. Jahrhundert.
  9. Die Wittgenstein S. 157f.
  10. Elisabeth Spies-Hankammer, Ludwig Adolph Peter Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg; in Sayn – Ort und Fürstenhaus, hrsg. Alexander Fürst zu Sayn Wittgenstein-Sayn, Koblenz 1979, S. 130.
  11. Ebd.
  12. Ebd.
  13. Vgl. Spies, Rückkehr, Anm. 21 und 29.
  14. https://en.wikipedia.org/wiki/Peter_Wittgenstein;20.10.2015;
  15. www.bendorf-geschichte.de/0199.htm
  16. Vgl. Spies, Rückkehr.
  17. Eremitage St. Petersburg.
  18. Das Bild wurde von Wikipedia übernommen und in Sepia eingefärbt.
  19. Oktoberaufstand russischer Offiziere gegen die Restaurationspolitik des neuen Zaren.
  20. https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Adolf_Friedrich_zu_Sayn-Wittgenstein-Sayn; 21.10.2015
  21. Spies, Rückkehr, Anm. 37.
  22. Sayn, Ort und Fürstenhaus S. 146.
  23. Sehnsucht nach dem vorrevolutionären Absolutismus mit seiner Einheit von Thron und Kirche.
  24. Hermann Müller, Sayn-einst und heute; in Sayn-Ort und Fürstenhaus S.220
  25. Spies, Rückkehr; französischer Text übersetzt.
  26. Dazu gehörte die Herrschaft Vallendar.
  27. Übersicht über die Reichsstände
    http://www.uni- heidelberg.de/institute/fak2/mussgnug/altehtml/folie_22.html, II. 60/ 14 (Berleburg) und /15 Wittgenstein.
  28. s . meine umfangreiche Studie über Heinrich IV und dessen Erbfolge anlässlich seines 400. Todestages : www.bendorf-geschichte.de
  29. die im Volksmund „Hungergräfin“ genannt wurde, weil sie mehrmals der militärischen Einkesselung trotzte. Vgl. www.bendorf-geschichte.de/bdf-216.htm
  30. Über Ernestina ging der Teil Sayn – Hachenburg an den katholischen Grafen Salentin von Manderscheid-Blankenheim und nach dessen Tod an das protestantische Nassau-Weilburg. Über Johannette kam der Teil Sayn – Altenkirchen an Hessen, dann an Sachsen – Eisenach. Und schließlich an Brandenburg. Durch den Reichsdepuationshauptschluss wurde Nassau der Rechtsnachfolger.
  31. ,Das Haus Nassau übernahm die niederländische Regentschaft.
  32. Udo Liessem, Bermerkungen zur Bau-,Kunst- und Geistesgeschichte des Schlosses in Sayn; in: Sayn – Ort und Fürstenhaus s.o.; S. 149ff.
  33. Hans-Bernd Spies, Die Gründung des Fideikommisses Sayn; in: Jahrbuch für westdeutsche Landesgeschichte, 7. Jahrgang 1981, Selbstverlag der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz.
  34. Vgl. Spies, Gründung: Verträge von 1853, 1854 und 1861
  35. Der 1867 ohne legitime Erben starb.
  36. Vgl. Spies, Gründung.
  37. Alle Details bei Spies, Gründung
  38. Wie schon oben erläutert wurde, war die Linie Sayn-Wittgenstein-Sayn eine der drei Hauptlinien der Grafen zu Sayn-Wittgenstein; sie entstand aus der Verbindung der letzten Tochter der Grafen zu Sayn-Sayn, Anna Elisabeth, mit Wilhelm III. von Sayn-Wittgenstein. Diese Linie starb 1636 aus, als Erbgraf Ludwig siebenjährig starb, der Sohn von Louise Juliane von Sayn und dem schon 1632 verstorbenen Grafen Ernst. Die eigentliche Grafschaft war damit für das Haus Sayn(-Wittgenstein) verloren, weil Kurtrier sie als erledigtes Lehen einzog. Das zweite Haus Sayn-Wittgenstein-Sayn entstand aus den Söhnen 2. Ehe des Grafen Wilhelm III. mit Gräfin Anna Ottilie von Nassau-Weilburg. Diese Linie starb 1846 mit Graf Gustaf zu Sayn-Wittgenstein-Sayn aus. https://de.wikipedia.org/wiki/Sayn-Wittgenstein-Sayn .
  39. Alles bei Spies, Gründung
  40. ebd.
  41. Alles bei Spies, Gründung
  42. So Alexander Fürst zu Sayn Wittgenstein in seinem Artikel „die Erben Ludwigs, oder sic transit gloria. S. 172.
  43. Sayn-Wittgenstein-Sayn
  44. Dorothea Wachter, Degen und Krummstab, Kempten 1978.
  45. Die Wittgenstein S. 111
  46. Karl Friedrich Dumoulin, Adelsbezeichnung, FAZ 21.08.2015
  47. Vgl. Arnold Angenendt, Ehe, Liebe & Sexualität im Christentum, Aschendorff Verlag Münster 2015
  48. Sayn-Ort und Fürstenhaus, Die Erben Ludwigs, oder sic transit gloria; Der Graf von Hachenburg.
  49. Für den Familienchef gab es offensichtlich keine Heilungsmöglichkeit der unstandesmäß eingegangenen Ehe.
  50. Sayn-Ort und Fürstenhaus, S. 173.
  51. ebd.
  52. Gudula Walterskirchen, Adel in Österreich heute, Wien 1999.

Kittlauss Dez 2nd 2015 04:19 pm Bendorfer Heimatgeschichte,Heimatgeschichte Keine Kommentare bisher Facebook Kommentare

Comments are closed.