Biblisch – theologische Studie zum Auferstehungsglauben

Die Seelen der Martyrer in Gottes Hand. Bild aus der serbo-orthodoxen Traiditon. Das Bild wurde über TinEye überprüft. Autorenrechte wurden nicht festgestellt.

Die Seelen der Martyrer in Gottes Hand. Bild aus der serbo-orthodoxen Traiditon. Das Bild wurde über TinEye überprüft. Autorenrechte wurden nicht festgestellt.

Aspekte zur Entwicklung des christlichen Auferstehungsglaubens
Der Glaube an die Auferstehung Jesu und an die Verheißung der Auferstehung für alle Jesusjünger wird mit unterschiedlichen Glaubensformeln und Geschichten bezeugt. Das Lukasevangelium nennt in der Apostelgeschichte Jerusalem , Samaria und Damaskus als erste Zentren christlicher Gemeinden. Der katholische Dogmatiker Walter Simonis sieht die Anfänge des Auferstehungsglaubens in einem mehrjährigen Prozess innerhalb einer charismatischen Gruppe um Petrus, der aber von Lukas in Anlehnung an das Hoseabuch auf drei Tage verdichtet wurde. Auffallend ist, dass der Auferstehungsglaube nicht am volkstümlichen Auferstehen der Toten aus den Gräbern ansetzt (wie es z.B. in der Geschichte von der Auferweckung des Lazarus erzählt wird), sondern theologisch durchdacht ist. Auferstehung wird nicht als „immanenter Vorgang der menschlichen Geschichte“ verstanden (Hubertus Halbfas, , sondern streng transzendent. In dem „rühre mich nicht an“ gegenüber Maria Magdalena ist dies bildhaft im Johannesevangelium ausgedrückt. In der Regel wird die Auferstehung metaphorisch – formelhaft ausgedrückt:

Gott hat Jesus von den Toten auferweckt ,
Jesus hat den Himmel durchschritten ,
er wurde aufgenommen in Herrlichkeit ,
er erscheint für uns, vor Gottes Herrlichkeit .
Gott hat ihn erhöht und ihm einen Namen gegeben, der größer ist als alle Namen .

Auffallend ist auch in allen neutestamentlichen Schriften die Berufung auf die heiligen Schiften. Für die frühe Jesusbewegung, die noch ganz in der jüdischen Tradition verhaftet war, war das „gemäß der Schrift“ der Schlüssel zu ihrer Identität. Der Gottessohn Jesus war der von den Generationen vorher erwartete Retter. Viele Stellen der Biblischen Schriften deuten die Theologen der christlichen Bewegung als prophetische Voraussage. Sie lesen die alten Texte im Lichte ihrer Jesus-Sehnsucht. Selbst der Kreuzestod passt sich nahtlos in diese Deutung.
Das frühste Zeugnis für den Auferstehungsglauben finden wir in den Paulusbriefen. Nach seinem Selbstzeugnis hat Paulus in der hellenistischen Jesus-Gemeinde von Damaskus den Auferstehungsglauben kennengelernt und übernommen: „Denn vor allem habe ich euch überliefert, was auch ich empfangen habe: Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als 500 Brüdern, die meisten von ihn sind noch am Leben, einige sind entschlafen.“ Auffallend ist es, dass sich Paulus mit seiner Deutung und die Darstellungen der Evangelien widersprechen. Bei Paulus fehlen die Frauen, die in den Evangelien ausdrücklich als Zeugen der Auferstehung benannt sind? Die Tradition vom leeren Grab, die apologetisch ausgerichteten Ostergeschichten, die Integration des Auferstehungsglaubens in die Taufliturgie und die Deutung des Kreuzestodes Jesu sind weitere Bausteine eines neuen Glaubens, die wir alle in den (viel später geschriebenen) Evangelien wiederfinden.
Paulus als ausgebildeter Theologe ist nicht am Leben Jesu interessiert, sondern an der Veränderung des Lebens durch Gottes Geist: „Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi“ Der von ihm verkündete Glaube ruht aber auch auf eigener (mystischer) Erfahrung: „Das Evangelium, das ich verkündigt habe, stammt nicht von Menschen. Ich habe es ja nicht von einem Menschen übernommen oder gelernt, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi empfangen.“
Bereits im 1. Korintherbrief entwickelt Paulus seine Auferstehungstheologie: „ Nun aber ist Christus (durch Gott) von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. Da nämlich durch einen Menschen (>Adam) der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden“ . Paulus erklärt die Auferstehung als Neuschöpfung und wählt dafür den Vergleich mit dem Samen: „Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib. ….Der erste Mensch stammt von der Erde und ist Erde; der zweite Mensch stammt vom Himmel. Wie der von der Erde irdisch war, so sind es auch die Nachfahren. Und wie der vom Himmel himmlisch ist, so sind es auch seine Nachfahren. Wie wir nach dem Bild des Irdischen gestaltet wurden, so werden wir auch nach dem Bild des Himmlischen gestaltet werden.“

Aspekte zum jüdischen Verständnis von Leben und Tod
Die Schriften des Ersten Testaments nennen zwei Menschen, die nicht gestorben sind: Henoch und Elias . „Henoch war seinen Weg mit Gott gegangen, dann war er nicht mehr da, denn Gott hatte ihn aufgenommen“ ; Elias wurde im Wirbelsturm von Gott in den Himmel entrückt Dagegen muss Mose als Folge seines Unglaubens in der Wüste vor dem Einzug in das Gelobte Land sterben.
Henoch gehörte zu den gerechten Menschen vor der großen Flut, deren hohes Lebensalter dem Leser (bzw. Hörer) die Langmut Gottes angesichts des moralischen Verfalls vermitteln sollte. Durch die Geburt seines Sohnes Metuschelach erhält Henoch eine tiefe Gotteserfahrung, so dass er nun „mit Gott wandelte“. Henoch lebt 365 Jahre, eine symbolische Zahl, die die Vollendung des Jahreskreises aufnimmt. Die Gottesnähe seines Vaters strahlt auf Metuschelach über; er wird mit einer Lebenszeit von 969 Jahren der älteste Mensch der Bibel, vor allem aber die Brücke zu Noach, der vor der großen Flut die Menschheit rettet. Hinter der so genannten Urgeschichte des Genesisbuches steht die Frage nach dem Bösen in unserer Welt. Die Schöpfung ist gut, auch der Mensch. Aber durch den Menschen kann in der Schöpfung das Böse sich entfalten. Es sind die Gerechten, die die Welt retten. Henoch zählt zu Ihnen.. Er ist der erste neue Adam. In zwei neutestamentlichen Schriften wird an die Hennoch-Geschichte angeknüpft. Der Hebräerbrief zählt Henoch zu den großen Zeugen des Glaubens.“ Aufgrund des Glaubens wurde Henoch entrückt und musste nicht sterben; er wurde nicht mehr gefunden, weil Gott ihn entrückt hatte; vor der Entrückung erhielt er das Zeugnis, dass er Gott gefiel“ Die zweite Erwähnung erfolgt im Brief des Judas, wo Henoch als apokalyptischer Prophet für das Gericht über die Gottlosen zitiert wird .
In Anknüpfung an den biblischen Henoch entstehen vier (apokryphe) Bücher, die mit „ 1., 2., 3.,4. Henoch“ oder nach den Sprachen bezeichnet werden, in denen sie geschrieben sind. Sie prägen den christlichen Glauben bis heute.
Das 1. Henochbuch ist vollständig in Äthiopisch überliefert und wurde von der äthiopischen Kirche in ihren Schriftkanon aufgenommen. Teile sind in Aramäisch, Hebräisch und Griechisch erhalten und können auf die Zeit zwischen 130 v. Chr. und 68 n. Chr. datiert werden.
Die anderen Henochbücher sind Übersetzungen bzw. auch Erweiterungen aus späterer Zeit.
Im 1. Henochbuch wird in der jüdischen Spätantike zum ersten Mal die Existenz einer „Hölle“ beschrieben, in der sündige Menschen und gefallene Engel gequält werden. „Die Schilderungen der verschiedenen Himmel und Höllen, mitsamt ihren Engeln (besonders den gefallenen), beeinflussten die Vorstellungen der frühen Kirchenväter des 2. bis 4. Jahrhunderts. Historiker messen den Büchern daher eine bedeutende Rolle in der Entwicklung des christlichen Dogmas der Höllenlehre und bestimmter Aspekte der Apokalypse zu.“
Das 2. Henochbuch wurde ursprünglich in Griechisch geschrieben, ist in kirchenslawischer Übersetzung erhalten geblieben und stammt aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. Die apokalyptische Schrift hat drei Teile: Bericht über kosmische Reise des Henoch durch die sieben Himmel, Unterweisung des Henoch durch Gott, Mahnreden des Henoch an seine Söhne und die Fürsten des Volkes. Zwei Engel führen Henoch durch die Himmelssphären. Im ersten Himmel wird ihm der himmlische Kosmos gezeigt, also unser Himmel, den wir erleben. Im zweiten Himmel warten die abgefallenen Engel auf das Gericht. Im dritten Himmel ist das Paradies mit den verstorbenen Gerechten und die Hölle mit den verstorbenen Sündern, die auf die Aburteilung warten. Im vierten Himmel befinden sich Sonne und Mond. Im Osten und Westen befinden sich je sechs Tore, Sechs Tore für die Sonne und sechs Tore für den Mond. Je nachdem welches Tor durchschritten wird, sind die Tage und die Nächte kürzer oder länger. Der fünfte Himmel wird von menschenähnlichen Riesen bewacht. Im siebten Himmel sind die Engel, Erzengel und Cherubim um Gott versammelt. Gott weist den Erzengel Bretil an, Henoch Feder und Papier zu geben und ihm die Beschreibung der Welt und ihrer Erschaffung zu diktieren. Den Abschluss bildet der Ausblick auf die Sintflut als göttliches Strafgericht über die sündige Menschheit. Nach dreißig Tagen hat Henoch 360 Bücher geschrieben. Er erhält den Auftrag zur Erde zurück zu kehren. Hier berichtet Henoch zunächst seinen Söhnen, warnt vor dem großen Strafgericht und ermahnt zu einem gottgefälligen Leben. Danach kommt Henoch mit den Ältesten des Volkes zusammen. Das 2. Buch Henoch endet mit der Aufnahme Henochs in den obersten Himmel.
Mit der Gliederung der Himmelssphären knüpft das Henochbuch an die biblische Tradition der Zahl sieben an: “Am siebten Tage vollendete Gott das Werk, das er geschaffen hatte, und er ruhte am siebten Tag, nachdem er sein ganzes Werk vollbracht hatte.“
Elija
Der Prophet Elija hat bis heute in der jüdischen Liturgie einen festen Platz. Im Tischgebet wird seiner gedacht. Bei jeder Beschneidung ist Elija als Pate genannt. Am Schabbat wird sein Name im dritten Segensspruch der Haftara nach der Toralesung genannt, am Schabbatausgang erklingt das Elija-Lied. Am Vorabend von Pessach steht der Elijabecher auf dem Tisch und bevor der Wein daraus getrunken wird, öffnet man die Tür, damit der Prophet eintreten kann, falls er zurückkehrt. Hintergrund ist der Hinweis im 2. Buch der Könige „An dem Tag, da der Herr Elija im Wirbelsturm in den Himmel aufnehmen wollte …“ und die Prophezeiung des Propheten Maleachi: “Bevor aber der Tag des Herrn kommt, der große und furchtbare Tag, seht, da sende ich euch den Propheten Elija“ . An diese Erwartung knüpfen auch die Evangelisten an, wenn sie die Leute fragen lassen, ob Jesus der wiedergekommene Elija sei? Und in der Erzählung von der Verklärung Jesu sehen die Jünger Moses und Elija neben ihrem Herrn.
Elija (auch Elias, hebr. ‏אליהו‎ Elijahu) lebte nach dem 2. Buch der Könige im Nordreich Israel im zweiten Viertel des 9. Jahrhunderts v. Chr. Sein Name bedeutet „Mein Gott ist JHWH”.
Das 1. Buch der Könige erzählt von den Auseinandersetzungen des Propheten mit den Königen Ahab und Ahasja sowie mit den Priestern des einheimischen Fruchtbarkeitsgottes Baal und der kanaanäischen Meeresgöttin Aschera. Weil Elija eine mehrjährige Dürre als Strafe Gottes ankündigt, wird er verfolgt und flieht in den (heutigen) Libanon. Hier steht er einer armen Witwe bei, indem er das Wunder der Vermehrung von Mehl und Öl bewirkt und den verstorbenen Sohn aus dem Tod zurückholt. Elias fügt sich dem Wort des Herrn und stellt sich am Berge Carmel den heidnischen Priestern und Propheten. Durch ein Gottesurteil (Feuer vom Himmel) gewinnt Elija die Auseinandersetzung, Aber er zieht sich den Hass der Königin Isebel zu und muss in die Wüste von Beerscheba fliehen. Hier erlebt er eine tiefe Glaubenskrise, die mit einer Gotteserfahrung beendet wird. In einer der tiefsten Geschichten der hebräischen Bibel wird erzählt, wie Elija von Angst von Todessehnsucht überfallen wird. Er ging „eine Tagreise weit in die die Wüste hinein. Dort setzte er sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod. Er sagte: Nun ist es genug, Herr. Nimm mein Leben; denn ich bin nicht besser als meine Väter.“ Im Säuseln des Windes begegnet ihm dann Gott. „Als Elija es hörte, hüllte er sein Gesicht in den Mantel, trat hinaus und stellte sich an den Eingang der Höhle.“ Dann machte er sich erneut auf nach Damaskus. Vor seinem Tod berief Elija mit Elischa einen Schüler, der die Erneuerung Israels fortsetzen sollte. Nach der letzten Anweisung an Elischa . „erschien ein feuriger Wagen mit feurigen Pferden und trennte beide voneinander. Elija fuhr im Wirbelsturm zum Himmel empor.“
Elija ist der zweite Mensch der biblischen Tradition, der nicht sterben muss und lebend in den Himmel aufgenommen wird. Auf den griechischen Inseln wurde deshalb immer der Höchste Berg nach dem Propheten Elija benannt. Nahe Haifa gibt es eine Höhle, in der sich Elija auf seiner Flucht versteckt haben soll.
Mose
Henoch und Elija werden aus der Todesverfallenheit der Menschheit herausgenommen. In ihnen erkennt der fromme Jude, dass Gott seine Schöpfung nicht verlassen hat. Moses aber ereilt das Schicksal aller Menschen. Auf dem Berg Horeb schaut Mose über den Jordan, aber er darf den Einzug in das verheißene Land nicht erleben. Dies ist die Strafe für die Untreue während des Wüstenzuges. Mose stirbt wie alle Menschen. „Mose war einhundert zwanzig Jahre alt, als er starb. Sein Auge war noch nicht getrübt, seine Frische war noch nicht geschwunden. Die Israeliten beweinten Mose dreißig Tage lang in den Steppen von Moab. Danach war die Zeit des Weinens und der Klage um Mose beendet. Josua, der Sohn Nuns, war vom Geist der Weisheit erfüllt, denn Mose hatte ihm die Hände aufgelegt.“
Nach der ursprünglichen jüdischen Überlieferung gehört der Tod zum Leben. Wer die Gebote Gottes befolgt, kann mit einem langen Leben belohnt und wie Abraham „betagt und lebenssatt“ bei den Vorfahren beerdigt und so mit ihnen vereint werden. Das Leben in der Schattenwelt ist eine Vorstellung, die von der Umwelt in das jüdische Denken eindringt. Jüdisch ist die Vorstellung, dass der Verstorbene zu Gott zurückkehrt. Für den gerechten Juden ist der Tod Heimkehr zu seinem Schöpfer.
Henoch und Elija haben herausragende Bedeutung, denn sie sind Mittler für eine neue Ära: Henoch steht für die aus der Sintflut gerettete Menschheit und Elija für die Rettung des Jahve – Glaubens aus der Katastrophe der „Amputation“ des Nordreiches. Mose bleibt der wichtigste Prophet und Mittler zu Gott, aber aufgrund des Unglaubens während des Wüstenzuges gilt die Landverheißung nur für seine Nachkommen. Mose war in die schicksalhafte Verstrickung seines Volkes eingebunden. Aber als Belohnung für die Befreiung aus Ägypten wird ihm ein langes Leben und ein friedlicher Tod geschenkt.
Zur Entwicklung des jüdischen (pharisäischen) Auferstehungsglauben
Die große Schnittstelle in der Geschichte Israels war das Babylonische Exil im 6. Jahrhundert v. Chr. Die ins Exil geführte geistige Oberschicht war hier in einer Bedrängnissituation zusammengedrängt. Die Frage „Warum ist dieses Unheil über uns gekommen?“ beherrschte alle Gespräche. Um eine Antwort zu finden, wurde die Tradition „durchforstet“ und die eigene Geschichte neu systematisiert. Ergebnis dieser langjährigen Entwicklung über mehrere Generationen ist der Jahve-Glaube und seine Neuinterpretation in der hebräischen Bibel. Nach der Rückkehr und dem Wiederaufbau Jerusalems überformte allerdings die Begegnung mit dem persischen und hellenistischen Denken zunehmend die jüdische Tradition. Gerade unter den vielfältigen neuen Bedrängnissen der syrischen Tyrannei wurde „der Glaube der Väter“ zum Lebensprinzip der jüdischen Menschen sowohl in Judäa wie in der ganzen Diaspora. Die hebräischen heiligen Texte wurden durch griechische Übersetzungen (wie die Septuaginta LXX) den nicht mehr hebräisch sprechenden jüdischen Gemeinden in der Diaspora vermittelt. Neue Texte in griechischer Sprache wurden in die biblischen Sammlungen eingefügt, später als außerbiblische Traditionen tradiert. Im jüdischen Bewusstsein wird auch die Diaspora eine normale Situation. In dieser Umbruchszeit dringt der ägyptisch- persisch-hellenistische Auferstehungsglaube in das Judentum ein.
Die Makkabäerbücher bezeugen diese Entwicklung. Vor 200 v. Chr. geriet Israel unter die Fremdherrschaft der syrischen Seleukiden. Der Jerusalemer Tempel wurde geplündert und durch den Bau eines Zeusaltars geschändet. In den beiden Makkabäerbüchern wird der jüdische Widerstand unter dem Hohen Priester Matatias und seinen Söhnen beschrieben. Nach dem Beinamen des ältesten Sohnes Judas, der den Beinamen Makaba (> der Hammer) trug, erhielt die Bewegung ihren Namen. In Erinnerung an die Einweihung des gereinigten Tempels erinnert das Chanukkafest.
Im siebten Kapitel des 2. Makkabäerbuches wird eine Geschichte von einer jüdischen Mutter und ihren sieben Söhnen erzählt, die der syrische König Antiochus zwingen wollte, vom jüdischen Glauben abzufallen, indem sie Schweinefleisch essen sollten. Der Reihe nach wurden sie vor den König vorgeführt und well sie sich weigerten, wurde einer nach dem anderen grässlich gefoltert und getötet. Die Geschichte schildert die Folterungen sehr anschaulich, aber auch den unerschütterlichen Glauben der Söhne und ihrer Mutter. Vor dem Tod bekennen die Gefolterten vor dem König ihre Treue zu ihrem Glauben und ihre Hoffnung auf Gott.
Du Unmensch! Du nimmst uns dieses Leben, aber der König der Welt wird uns zu einem neuen, ewigen Leben auferwecken, weil wir für seine Gesetze gestorben sind“
“Gott hat uns die Hoffnung gegeben, dass er uns wieder auferweckt. Darauf warten wir gern, wenn wir von Menschenhand sterben. Für Dich aber gibt es keine Auferstehung zum Leben.“
Ich weiß nicht, wie ihr in meinem Leib entstanden seid, noch habe ich euch Atem und Leben geschenkt, auch habe ich keinen von euch aus den Grundstoffen zusammengefügt. Nein der Schöpfer der Welt, hat den werdenden Menschen geformt, als er entstand. Erkennt die Entstehung aller Dinge. Er gibt euch gnädig Atem und Leben wieder, weil ihr jetzt um einer Gesetze willen nicht auf euch achtet.“
Zeugnisse für den gewachsenen Auferstehungsglauben gibt es auch an anderen Stellen der Bibel, ohne dass sich die zeitliche Bestimmung immer genau treffen lässt.

Der Auferstehungsglaube der frühen Kirche
Zurzeit Jesu sind es die pharisäischen Theologen, die den Auferstehungsglauben in der Auseinandersetzung mit den einflussreichen Sadduzäern lehren. Die Bibelwissenschaft vertritt heute weitgehend die Auffassung , dass Jesus mit seiner Reich-Gottes-Verkündigung den Hauptakzent auf das konkrete (jetzige) Leben setzte. Immer ging es Jesus um das Jetzt und das Heute. Auch das Streitgespräch mit den Sadduzäern endete mit dem Bekenntnis zu Gott, dem „Gott nicht von Toten sondern von Lebenden“(Mk 12,18-27). Die frühe Jesusbewegung, die sich in den neutestamentlichen Schriften widerspiegelt, übernahm jedoch frühzeitig die Tradition des pharisäischen Auferstehungsglaubens. Um die Spannung zwischen Annahme pharisäischer Theologie und Ablehnung des rabbinischen Judentums aufzulösen, wurde von den Evangelisten die Polemik zwischen Jesus und den Pharisäern besonders betont.

Hellenistische Einflüsse auf den christlichen Auferstehungsglauben

Mit der Zerstörung Jerusalems verlagerte sich das Judentum ganz in die ( hellenistische) Diaspora. Durch die Konzentration auf die Thora und die hebräische Sprache wurde die pharisäische Bewegung zum Sauerteig eines erneuerten Judentums. In seinem Schatten aber auch in Konkurrenz entwickelte sich die Jesusbewegung im Römischen Reich zur christlichen Kirche. Sowohl jüdische wie christliche Gemeinden mussten sich mit einer Gesellschaft auseinandersetzen, die vom hellenistischen Denken geprägt war. Dies betraf auch die unterschiedlichen religiösen Traditionen, Kulte und philosophischen Schulen. Die christliche Bewegung des Neuen Weges musste gegenüber dem Judentum mit seiner erneuerten rabbinischen Theologie und den oft einflussreichen jüdischen Gemeinden der hellenistischen Diaspora seine eigene Identität finden und sich gegenüber der hellenistischen Philosophie und den vielen Mysterienkulten behaupten. Der Isis- und Osiriskult war von den römischen Armeen bis nach Germanien verbreitet. Die göttliche Isis mit ihrem Kind Horus wurde erst durch die Gestalt der Muttergottes verdrängt und Osiris, der Herr des Totenreiches und der ständigen Wiederkehr, durch den auferstandenen Christus. Der Apiskult verehrte den altägyptischen Fruchtbarkeitsgott Pthah unter der Gestalt des heiligen Stieres. Im ganzen Römischen Reich war der Kult um Appollon verbreitet, der Gott des schönen Lebens, der Künste und der Heilkunst. Der göttliche Spielmann Orpheus, der göttliche Heiler Chiron, Dionysos, der Gott des schönen Lebens, Pallas Athene, die Göttin der Weisheit und des Kampfes, sowie der Männer–Geheimbund des Gottes Mithras sind einige Beispiele. Besonders die Mysterienreligionen waren mit Geheimlehren und Initiationsriten verbunden und wollten das Glück im diesseitigen Leben wie den Übergang in die himmlische Welt vermitteln. Das Römische Reich mit seiner weltanschaulichen Pluralität war die Bühne, auf der sich die Jesusbewegung bewähren musste. Dass bei diesem Prozess die jüdischen Wurzeln immer stärker vergessen wurden, verstehen wir heute wieder besser.
Die Gestaltwerdung des christlichen Auferstehungsglaubens
Der Auferstehungsglaube „war nicht das Ergebnis einer Nacht“ (Hubertus Halbfas), sondern wuchs als Prozess in den unterschiedlichen Gruppen der Jesusjünger, wie es heute noch in den Schriften des Neuen Testamentes erkennbar ist. In den Glaubenssymbola und im kultischen Leben der Gemeinden erhielt dann der Auferstehungsglaube eine einheitliche Gestalt.
Von Gott aufgenommen:
In den Auferstehungsgeschichten des Alten Testaments wurden die Menschen einfach von Gott aufgenommen. Es gab auch in der ganzen hellenistischen (also nichtjüdischen) Welt solche Geschichten von der Entrückung berühmter Menschen in den Himmel (z.B. Herakles und Menelaos). Bei diesem Vorstellungsmodell wird ein Mensch durch die Himmelsphären (durch die Luft) emporgezogen. In seiner Apostelgeschichte macht Lukas von diesem Mythos Gebrauch: “Als er dies gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf, und entzog ihn ihren Blicken.“ Auch bei Paulus finden wir diese Vorstellung: “ Dann werden wir, die Lebenden, die noch übrig sind, zugleich mit ihnen (>den schon Verstorbenen) auf den Wolken in die Luft entrückt, dem Herrn entgegen.“ Dieses sehr konkrete Anschauungsmodell dürfte besonders für einfach strukturierte Menschen (Bauern, Fischer, Tagelöhner) nachvollziehbar gewesen sein. Flankierend bot sich hier die Geschichte vom leeren Grab und den zusammengefalteten Leichentüchern an.
Er war einfach da:
Die umgekehrte Metapher ist das plötzliche Erscheinen. Im Johannesevangelium wird erzählt, wie die Jünger ängstlich bei verschlossenen Türen versammelt waren und dann Jesus auf einmal in ihrer Mitte war. Er kam und war einfach da. (Joh. 20,19).
Wir haben ihn gesehen:
Dies war die formelhafte Umschreibung des Auferstehungserlebnisses. Dem Evangelisten Johannes ist es offensichtlich wichtig, dass die Jünger nicht ein Gespenst sehen, sondern einen richtigen Menschen. In der Geschichte vom zweifelnden Thomas wird die Leiblichkeit des Auferstanden anschaulich geschildert.
Es gibt viele Zeugen:
Paulus betont den Hinweis auf viele Zeugen, die den Auferstandenen erlebt haben und zwar mehrmals bei unterschiedlichen Situationen.
Innere Offenbarung:
Bei Paulus finden wir aber auch das Bild der inneren Erleuchtung: „Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten, er ist ja in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi.“ . Im Galaterbrief deutet Paulus diese Erleuchtung als Apokalypsis = Offenbarung: „“Ich tue kund aber euch, Brüder, die Frohbotschaft, – verkündet von mir, ist nicht nach Menschenart, denn auch ich habe sie nicht von einem Menschen empfangen, und nicht wurde ich belehrt, sondern durch eine Offenbarung Jesu Christi.“
Die Gräber öffnen sich:
Dass sich die Gräber öffnen und die Toten heraussteigen können, ist eine Anschauung, die tiefe anthropologische Wurzeln hat. Bis ins späte Mittelalter gab es die Furcht vor der Wiederkehr der Toten. Hier ist wohl auch eine Wurzel für einen möglichst schweren Stein auf dem Grab, gewissermaßen als Deckel zur Verhinderung, dass die Toten in unsere Welt zurückkehren Der Prophet Ezechiel (6.-5. Jahrh.v. Chr.) gebraucht das Bild der vertrockneten Gebeine als Hoffnungsbild für Israel. Ganz anschaulich beschreibt er, wie die Ruach die toten Knochen mit Fleisch und Sehnen lebendig macht.
Am Jüngsten Tage
Die Androhung des Gerichts wegen Untreue kannten die Christen aus den hebräischen Büchern zur Genüge. Auch Jesus lebte mit den Bildern der Apokalyptik, obwohl sich die Bibelwissenschaft nicht sicher ist, welches dieser Bilder aus dem Glauben der Gemeinden oder von Jesus stammt. Im Johannesevangelium sind Jesus-Logien zu einer großen Redenfolge zusammengefügt. Hier spricht Jesus: „Denn es ist der Wille meines Vaters, dass alle, die den Sohn sehen und an ihn glauben, das ewige Leben haben und dass ich sie auferwecke am Letzten Tag“ Im letzten Buch des Neuen Testaments, der Offenbarung des Johannes, wird der Gerichtsgedanke zu einem Drama ausgeweitet.
Leib und Seele
Die Spaltung des Menschen in Leib und Seele (und Geist), die vor allem ihren Ursprung in der Anthropologie der Ägypter und Griechen hatte, war in die Schriften des AltenTestamens eingeflossen. Auch Jesus gebrauchte im Rückgriff auf den Volksglauben dieses Bild vom geteilten Menschen : Im Tod trennt sich die Seele vom Körper und der Leib geht zurück in seinen Ursprung. Über das Schicksal der Seele gab es unterschiedliche Vorstellungen. Die Seelen der Gerechten werden durch Gott gerettet (=Erlösung), die Seelen der Sünder fallen ins Nichts oder werden bestraft. Über die Zukunft des Leibes gibt es bis heute ganz unterschiedliche Vorstellungen. Für die frommen Juden ist es eine besondere Begnadigung, vor den Toren Jerusalems begraben zu werden, weil sie dann am Jüngsten Tag zu den Ersten gehören. In der christlichen Tradition gibt es viele hintergründige Praktiken. Menschen, die Suizid begangen haben, wurden außerhalb der geweihten Erde beerdigt. „Ketzer“ und „Hexen“ wurden verbrannt. Dahinter stand immer die Vorwegnahme der Verurteilung, auch wenn man die Seele der Barmherzigkeit Gottes anvertraute. Im Bistum Trier werden bis heute die Domkapitulare im Innenhof des Kreuzgangs des Domes mit hartgebrannten Ziegeln eingemauert. Bischöfe werden im Zinksarg versiegelt und erhalten einen äußeren Sarg aus Hartholz. Auch die Sterbeliturgie der Katholischen Kirche ist bis heute vieldeutig, was den Leib betrifft. Auf der einen Seite wird die Vergänglichkeit des Leibes betont (zu Staub werden), auf der anderen Seite wird gebetet: “Der Herr wird dich auferwecken am Jüngsten Tage“. Das Dogma von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel nahm den Volksglauben auf, dass auch bei Maria nach ihrer „Himmelfahrt“ das Grab leer war. Die Unbestimmtheit des Auferstehungsglaubens (was-wann-wie passiert?) zeigt sich bei jeder Beerdigung. Die Texte der katholischen Beerdigungsliturgie lassen Schmerz und Trennung ebenso wie Hoffnung und Tröstung einfach nebeneinander stehen. Auch das Nebeneinander von Jetzt und Weltenende wird nicht verwischt. Viele mythologische Bilder haben sich mit dem Auferstehungsglauben verbunden. Der hellenistische Hades und die jüdische Scheol finden sich in dem „ad inferos“ (zu den Toten) und in der „Höllenfahrt Jesu“ im Volksglauben und in der Kunst wieder. Aber auch das persische Höllenfeuer und das christliche Fegefeuer (purgatorium) bilden den kontrastreichen Hintergrund zu dem Leben über den Wolken in den Barockkirchen. Unter dem Sammelbegriff „Ewiges Leben“ verbirgt der christliche Auferstehungsglaube seine vielen mythologischen Bilder aus dem religiösen Denken der früheren Generationen. „Das Grab ist leer, der Held erwacht, der Heiland ist erstanden“. Volksglaube und Kunst hatten nie Probleme, die Auferstehung Jesu und die Auferstehung der Toten realistisch darzustellen und zu besingen.

Das Auferstehungsgeschehen
Der katholische Dogmatiker Walter Simonis ist einer der wenigen Theologen, der den Versuch gewagt hat, das tatsächliches Geschehen des ersten Ostern zu rekonstruieren und zwar streng (so meint er) nach Quellenlage. Simonis geht davon aus, dass nach der schrecklichen Kreuzigung die Jesusgruppe keinerlei Perspektive hatte und sich deshalb zerstreute. Die Emmausgeschichte im Lukasevangelium hat die Situation sehr anschaulich beschrieben. Nach jüdischem Verständnis konnte der Messias nicht am Kreuz hingerichtet werden, denn der Kreuzestod galt als Tod der Schande (Verbrecher).Doch dann gab es Ereignisse, die einige (viele, alle?) Jesusjünger wieder zusammenführte. An dem nun stattfindenden spirituellen Prozess waren viele Faktoren beteiligt: Erinnerungen, Hoffnungen, Ängste, Gruppeneuphorien, psychische Prozesse, die allgemeine messianische Erwartung, die zunehmende Unzufriedenheit, der Druck der Römer, die Spaltungen und Gruppenbildungen, die alten Traditionen der Schriften und schließlich die Hoffnung, die in jedem Menschen lebt. Simonis beschreibt sehr einfühlsam wie in diesem Gebräu von Enttäuschungen und Visionen der Auferstehungsglaube entstehen konnte. Von hier aus wäre es auch zu erklären, dass es zunächst zu einem „Auferstehungsglauben light“ kam: Der Herr ist tot – Der Herr ist durch Gottes Geist bei uns. „Als die Apostel in Jerusalem hörten, dass Samarien das Wort Gottes angenommen hatte, schickten sie Petrus und Johannes dorthin. Diese zogen hinab und beteten für sie, sie möchten den Heiligen empfangen.“ Erst durch die zunehmende Berührung mit dem hellenistisch geprägten Judentum (schon in Jerusalem) bekam der Auferstehungsglaube eine andere Qualität im Sinne einer individuellen Existenz über den Tod hinaus.
So könnte es gewesen sein – so oder ganz anders? Sicherheit über die Anfänge des Auferstehungsglaubens werden wir wohl nie erhalten. Doch dann geht Simonis noch einen Schritt weiter. Wenn der Auferstehungsglauben das Ergebnis eines Gruppenprozesses war, der sich immer mehr verdichtete und sich schließlich wie das Bild einer Fata Morgana in den Köpfen und Herzen objektivierte, dann läge doch die Schlussfolgerung nahe, dass der christliche Glaube auf einem Irrtum entstanden ist und weiterhin besteht? Simonis scheut nicht, das vorbehaltlos zu bejahen, weil er im Auferstehungsglauben eine (im menschlichen Bewusstsein tief verwurzelte) Metapher für die Verheißung des ewigen Lebens erkennt. Der biblische Auferstehungsglauben ist gewissermaßen wie eine Rakete, die der „Neue Weg“ als Botschaft in unsere Welt bringt: die Hoffnung auf ein Leben nach unserem Tod. Erstaunlicherweise ist der Dogmatiker Simonis in der Katholischen Kirche nie verurteilt worden.
Die Ablösung des Auferstehungsglaubens vom alten Weltbild
Wir stehen heute vor der gigantischen Aufgabe, den christlichen Auferstehungsglauben vom antiken Weltbild abzulösen. Dies ist ähnlich riskant, wie bei der Rettung eines Frescos vom brüchigen Untergrund, denn Auferstehungsglauben und altes Weltbild sind in der biblischen Überlieferung unlösbar miteinander verbunden. Am Namen und Inhalt des Festes „Christi Himmelfahrt“ lässt sich das leicht veranschaulichen. Das alte Weltbild war klar strukturiert und durch die Religionen gedeutet: Über der Erde die Himmelsphären als Welt Gottes, der Engel und der Auferstandenen – in der Erde die Hölle mit den Verdammten – auf der Erde die Lebenden in ihrer Bewährungsphase – Sonne und Sterne als Beleuchtung für das Leben auf der Erde. Das kopernikanische Weltbild führte zur Irritation, weil man den Widerspruch zwischen Katholischer Kirche und den Naturwissenschaften und weil die Theologen den Widerspruch zu den biblischen Texten nicht erklären konnten. Als aber die Bibelwissenschaften entdeckten, welche eigentliche Botschaft die alten Texte überlieferten, konnte das Leben auch mit dem „Hochgeschwindigkeitszug Erde“ für die Christen weitergehen. Denn die Sonne ging weiter auf und unter. Der Himmel ist weiterhin oben und der Sternenteppich glitzert weiterhin am Himmelgewölbe. Doch durch moderne Astronomie und Raumfahrt ist unser christlicher Glaube „heimatlos“ geworden. Mit unseren Augen sehen wir zwar den gestirnten Himmel über uns, aber durch die Weltraumteleskope sehen wir durch unser Sonnensystem in die Milchstraße hinein und dann weiter in den Kosmos mit seinen für uns unvorstellbaren Galaxien. Wir wissen auch, dass uns diese Bilder des Kosmos wegen der großen Entfernungen nur die Welt der Vergangenheit vermitteln. In diesen unendlichen Räumen ist es finster und dauerfrostig oder gleißend hell und superheiß. Die unvorstellbaren Körper und Massen bewegen sich mit unvorstellbarer Geschwindigkeit und Größe und wir sind mittendrin in dieser kosmischen Suppe, ohne dass unser alltägliches Leben davon berührt wird. Und das ist nur die Hälfte der Wahrheit, denn eine ähnliche Reise können wir nach innen machen, hinein in die Struktur der Materie, wo die Leerräume immer größer werden, je tiefer wie in die Kleinheit eindringen; und wo sich Strukturen immer mehr auflösen, je genauer wir hinschauen können. In dieser unfassbar großen und unvorstellbar kleinen Welt leben wir, maßlos in unserer Sehnsucht und winzig in unserer Bedeutung.
Zu der Ablösung vom alten Weltbild gehört auch, dass wir Menschen uns von der Top-Position als Krone der Schöpfung verabschieden. Trotz der permanent wachsenden Wissensexplosion verstehen wir von den Werdeprozessen der Schöpfung sehr wenig. Während früher fromme Menschen einen weisen und planenden Schöpfer vor Augen hatten, sehen wir heute durch die riesigen Weltraumteleskope eine heiße Weltsuppe aus plasmischen Gasen und chemisch – atomaren Prozessen in unbegreiflichen Massen, Geschwindigkeiten und Entfernungen. Wir wissen, dass der blaue Planet unser Schiff ist, mit dem wir in nicht nachvollziehbarer Geschwindigkeit durch unser Sonnensystem segeln und zwar ohne Kapitän. Wir stammen von dieser Erde, wir leben von ihr, und wir kehren zu ihr zurück. Dabei sind wir völlig abhängig von den zufälligen Veränderungen. Sonnentuberanzen, Sonnenwinde und Meteore sind noch unberechenbarer als unsere irdisches Wetter. Wenn die Erdachse sich verändert oder der Magnetismus sich umpolt, wenn ein Himmelsbrocken aus den Tiefen jenseits des Sonnensystems kommt und die Erde anpeilt, wenn vom Weltraum aggressiv lebensfeindliche Viren die Erde verschmutzen oder heimische Bakterien lebensfeindlich mutieren – immer sind wir wehrlos bedroht. Schon eine Hühnergrippe oder ein schweres Erdbeben kann das Leben der Menschheit völlig verändern. Angesichts der kosmischen Dimensionen sind wir sechs Milliarden Erdlinge auf dem blauen Planeten bedeutungslos. Selbst wenn die bemannte Raumfahrt zum Mars gelingt – und es dürfte nur eine Frage der Zeit sein – sind wir immer noch innerhalb unseres überschaubaren Sonnensystems, nur ein Stück weiter als zum Mond. Wir werden auf dem Mars einen Friedhof bekommen; erleben werden es vielleicht unsere Kinder. Aber vielleicht verkommt auch die mühsam erbaute Marssiedlung, weil unsere Technologie unter den unbekannten Bedingungen des Roten Planeten verrottet – und die lebende Kolonie dazu.
Am tiefsten aber dürfte uns das neue Verständnis vom Leben und Sterben treffen. Wir wissen heute, dass das Phänomen Leben auf unserer Erde spätestens durch den Kollaps unseres Sonnensystems begrenzt ist. Diese zeitliche Begrenzung gilt auch für jedes Individuum. Das Ende ist vorprogrammiert – für jeden einzelnen von uns. Auch wenn wir den mittelalterlichen Totentanz nicht zu lieben mögen, gehört seine Botschaft heute zum gesicherten Wissensbestand. Der Mensch ist mit seiner Welt nicht für die Unsterblichkeit angelegt. Jedem von uns steht nur eine begrenzte Lebenszeit zur Verfügung, die sich weithin unserem Einfluss entzieht. Die Evolution des Lebens auf der Erde lässt ewiges Leben nicht erkennen. Unsere Möglichkeiten, das Leben zu verlängern sind begrenzt und beziehen sich immer nur auf eine Minderheit. Bis jetzt gibt es keinerlei Möglichkeit, über die Todesgrenze hinauszusehen. Auch die Nahtodforschung erfasst nur die Wirklichkeit diesseits des Todes. Das Schweigen Gottes wird vom Schweigen der Toten begleitet. Wir leben alle wie auf einem Friedhof. und haben die Toten stofflich in unserem Körper materialisiert. So ist die Frage nach Botschaft und Wert des Auferstehungsglaubens mehr als aktuell.
Verstehenszugänge zum Auferstehungsglauben.
Für uns Christen bietet sich zunächst die traditionelle christliche Erlösungslehre an. Danach ist die Sünde von Anfang an im Herzen des Menschen und hat den Tod und vielerlei Leiden zur Folge. Doch der Gottmensch Jesus Christus hat die ganze Menschheit durch seinen Gehorsamstod am Kreuz erlöst. Das Blut des gekreuzigten Gottmenschen hat Gott versöhnt und uns rein gewaschen. In den Liedern der Kar- und Osterwoche wird dies besungen. Das Christentum hat ein umfangreiches dogmatisches System entwickelt, wozu auch die Funktion der Kirche als Heilsmittlerin und die Aufspaltung der Wirklichkeit in Diesseits und Jenseits gehört. Bei genauerem Hinschauen des traditionellen Glaubens zeigt sich ein Gemenge von ganz unterschiedlichen Vorstellungen von der Unsterblichkeit der Seele bis zur Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag. Hinter dem individuellen Schicksal von Ewigem Leben oder Ewiger Verdammnis steht die Gemeinschaft der jeweiligen Schicksalsgruppe, die Gemeinschaft der Heiligen oder die auf ewig Verdammten, wobei die christliche Kirche immer offen gelassen hat, ob die Hölle voll oder leer ist.
Diese christliche Erlösungslehre ist aber vielen Menschen fremd geworden. Der Tod ist nicht überwunden, sondern durch die Medien und die reale tagtägliche eigene Erfahrung allgegenwärtig. Die lange Entwicklungsgeschichte der Menschheit hat keinen Platz für Adam und Eva. Und weil der Himmel für uns oben und auf der anderen Erdhälfte unten ist, fehlt uns die Orientierung.
Nur 31 % der Deutschen glaubt an die christliche Auferstehung, und nur die Hälfte glaubt an ein Jenseits, erklärt der Theologe Patrick Becher in der Wochenzeitung Die Zeit. Nach Paulus fällt damit das Christentum in sich zusammen. Die Situation der christlichen Kirchen gleicht einem Haus, das nicht mehr regelmäßig bewohnt wird. Der Putz fällt von den Wänden, das Dach wird undicht und die Bodennässe dringt in die Mauern. Reparaturen werden nur noch sporadisch gemacht Gravierender ist die Unfähigkeit, innezuhalten, nachzudenken und neue Konzepte zu finden. Dabei hat das Christentum eine reiche Geschichte von Umdenken und Neuorientierung. Angesichts des Zerfalls des Weströmischen Reiches durch den Ansturm der Barbarenvölker, war es Augustinus, der dem Christentum mit seiner Idee vom Gottesstaat ein neues Fundament gab. In der Schrecklichkeit der mittelalterlichen Zerstörungswut verwurzelten die monastischen Theologen wie Anselm von Canterbury, Albertus Magnus, Don Scotus und Thomas von Aquin das Christentum im Denken der griechischen Philosophie. Und die Konziliare Bewegung um das II. Vatikanum entdeckte das Volk Gottes als ursprüngliche (jüdisch geprägte) Gestalt des Christentums. Anders gefragt: Erschöpft sich (hier gemeint die katholische) Kirche in Restauration und Selbstbehauptung oder öffnet sie sich für das Leben und Denken der Menschen heutiger Zeit?
Auch die altjüdische Theologie bietet sich an, nach der der Tod zum Leben gehört. Alle Menschen müssen sterben. Grab oder Verbrennung sind irgendwann unser Schicksal. Die Dauer unseres Lebens und sein Verlauf können durch die Qualität unser Leben verkürzt und verschlechtert werden, aber Sterben und Tod haben wir mit der ganzen Natur gemeinsam. Pflanzen, Tiere und Menschen sind alle sterblich – wie das Gras, das heute blüht und morgen verwelkt. Dieser altjüdische Glaube ist jedoch ohne einen tiefen Gottesglauben ohne Fundament. Der sterbliche Mensch weiß sich unter Seinen Flügeln geborgen und kann vertrauensvoll zu Gott zurückkehren, von dem er einst gekommen ist. Ohne den Gottesglauben bedeutet der Tod ein absolutes Ende des Individuums. Nur über die Spuren des Lebens gibt es dann ein Weiterleben: in seinen Kindern und seinen Werken kann der Mensch für die nächsten Generationen bedeutsam bleiben. Das gilt aber nur für eine verschwindende Minderheit. Die große Masse der Menschen verschwindet in der Vergessenheit.
Eine dritte Variante – auch für das Christentum – bietet das panteistische Denken. Gott ist eine Chiffre für das Ganze (Leben, Natur, Erde, Kosmos u.ä.), zu dem auch wir Menschen gehören. Sterben bedeutet Ende der individuellen Existenz und Tod die Rückkehr in das Ganze. Nicht das Leben sondern die individuelle Erscheinungsform des Lebens ist zeitlich begrenzt. Die meisten Humanisten wie die Naturwissenschaftler dachten und denken pantheistisch. Aber auch in den fernöstlichen Religionen finden wir Varianten des Pantheismus. Die christlichen Kirchen haben das pantheistische Denken immer abgelehnt und gnadenlos verfolgt. In unserer Zeit aber können wir beobachten, wie sich christliches Denken und humanistische Welterklärung annähern. Der katholische ZEN–Theologe Willigis Jäger, der auch der christlichen Mystik nahe ist, vergleicht Gott mit dem Meer und die einzelnen Menschen mit den Wellen, die aus dem Meer kommen und dahin wieder zurückgehen, um sich aufzulösen. Die Schöpfung ist die Selbstdarstellung des Göttlichen. Als einzelner Mensch bin ich „die Manifestation der Urwirklichkeit Gott. Meine wirkliche Aufgabe ist es, Mensch zu sein. Mensch zu sein mit allen Potenzen…… Und das ist der eigentliche Auftrag, den ich habe: Gott zu leben in dieser Gestalt und mein Leben zu zelebrieren als Leben Gottes.“ Für Jäger ist es Gott, der wiedergeboren wird. Sein atheistischer Pendant könnte Wilhelm Schmidt sein, ein säkularer (nichtchristlicher) Philosoph. Er betrachtet das Leben als Ganzes und uns Menschen als inkarnierte Individuen, die das Leben in seinem Reichtum und seiner Schönheit entfalten, dann aber durch Altern und Sterben ihre Individualität verlieren und ihre ‚Energie zurückgeben in den kosmischen Muttermund. Ich wage den Satz: Eine solche pantheistische Deutung entspricht passgenau unserem Menschen- und Weltenbild. Die Frage, ob wir nicht damit die Nähe (>Personalität) Gottes opfern, entschärft sich, wenn wir uns bewusst machen, dass das klassische wie das frühe Judentum die bildhafte Personalität Gottes ablehnte. Die Frommen beteten zu Gott, ohne sich von Gott ein Bild zu machen. Sie sprachen zu Gott wie zu einem anderen Menschen, waren sich aber bewusst, dass Gott der ganz Andere ist, unbegreiflich und unvorstellbar. Wenn wir auf diesem Hintergrund nach Jesus Christus fragen, stoßen wir auf einen Propheten, der eine so tiefe Gotteserfahrung hatte, dass sich in ihm Gott inkardinierte (Fleisch wurde). Er brachte die Erinnerung an das spirituelle Geheimnis unserer Welt (Abba)zurück und erlitt mit seinem Kreuzestod das Prophetenschicksal.
Natürlich kann hier nur angedeutet werden, in welche Richtung die ganze jüdisch – christliche Tradition in das Denken und Leben unserer Zeit zu transformiert werden muss. Den christlichen Kirchen fällt das Umdenken schwer.
Zum Schluss. Woran kann ich mich festhalten mit meinen fast 78 Lebensjahren? Vielleicht so: Ich bin ein Geschöpf des Göttlichen Mysteriums, das ich wie meine Vorfahren Gott nenne. Mit Höhen und Tiefen habe ich das mir geschenkte Leben gelebt. Es begann mit der Befruchtung einer Eizelle im Leib meiner Mutter durch einen Samenfaden aus den Hoden meines Vaters. Dann haben sich meine Erbanlagen im Schutzraum des Mutterleibes entfaltet. Ich wurde Mensch und trat ein in die Gemeinschaft des Menschengeschlechtes. Nach der Geburt begann meine lebenslange Lernzeit. Ich lerne Tag und Nacht. Ich lernte es auch, mein Leben in facie Dei (im Angesicht Gottes) zu führen. Irgendwann war ich ein Mensch, der sein Leben in Eigenverantwortung führen konnte – auch nach dem Tod der eigenen Eltern. Doch alles hat seine Zeit, auch meine Individualität. In absehbarer Zeit wird mein Körper seine kosmische Energie verlieren. Im Sterben werde ich mich Schritt für Schritt verabschieden müssen von diesem Leben. Ich werde mich auflösen wie die schmelzende Schneeflocke und meine Lebensenergie zurückgeben an das Ganze. Vater. In Deine Hände gebe ich meinen Geist. Ich werde zurückkehren in das Ganze, aus dem ich gekommen bin. Meine materiellen Bausteine und meine Energie werden für andere Individuen zur Verfügung stehen, denn das Leben sucht ständig neue Formen, um unterschiedliche Gestalt anzunehmen. Meine Individualität wird gewandelt.
1927 hat Bert Brecht eine Lied geschrieben: „Lasst euch nicht verführen! Es gibt keine Wiederkehr. Der Tag steht in den Türen, ihr könnt schon Nachtwind spüren, es kommt kein Morgen mehr.“ Die letzte Strophe ist noch deutlicher: “Und es kommt nichts nachher zu Frohn und Ausgezehr! Was kann euch Angst noch rühren! Ihr sterbt mit allen Tieren und es kommt nichts nachher.“ Brecht spricht von den 150.000 Menschen, die täglich sterben. Dazu gehören die abgetriebenen Föten, die Achtzehnjährigen, die bei einem Verkehrsunfall vor einen Baum fahren, die sechzigjährigen Männer die durch Blitztod sterben, die verhungernden Kinder, die Krebstoten, die Opfer von Verbrechen, die sterbenden Menschen in den Slums, die Soldaten und Zivilopfer in den vielen schmutzigen Kriegen, die Gefolterten und Hingerichteten, die erlöst Gestorbenen nach langer Pflegezeit.
Als Christ aber weiß ich all diese Menschen geborgen in dem großen Mysterium, das wir Gott nennen. Von ihm kommen wir und zu ihm kehren wir wieder zurück.

 Ostern 2014

 

Graphik "Schöpfung". Autor: Dieter Kittlauß 2012

Graphik „Schöpfung“. Autor: Dieter Kittlauß 2012

 

 

 

 

 

Kittlauss Jun 16th 2014 10:57 am Theologie Keine Kommentare bisher Facebook Kommentare

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