Trauer in der säkularisierten Gesellschaft


 

Es war im März 2007, als mich  Frau N., Frau eines Bestatters, anrief. Sie wusste um meine Bereitschaft, in besonderen Fällen die Gestaltung einer Bestattung zu übernehmen: „Herr N. ist verstorben, die Familie wünscht eine würdige Bestattung. Der Termin für die Erdbestattung steht schon fest.“ Da ich im  Bestatten ein Werk der Barmherzigkeit sehe, sagte ich zu. Zwei Tage später saß ich in der Küche mit der Witwe und zwei erwachsenen Töchtern zum Vorgespräch. Die Atmosphäre war entspannt und sehr persönlich. Aber ich spürte eine enorme Herausforderung, da ich überhaupt keine Kirchlichkeit und auch wenig Christliches erlebte. Der Verstorbene war schon in jungen Jahren aus der Katholischen Kirche ausgetreten und die ganze Familie hatte sich offensichtlich von der christlichen Tradition entfremdet. Als ich fragte, ob wir am Grab gemeinsam ein Vaterunser beten könnten, dauerte es eine ganze Weile, bis ich eine zögerliche Zustimmung erhielt. Auf dem Nachhauseweg war ich sehr unsicher, ob ich der Aufgabe gerecht werden würde. Als ich zu Hause meiner Frau von meiner Angst erzählte, ermahnte sie mich eindringlich, diese Bestattung nicht für meine eigene Überzeugung zu missbrauchen. Nach langem Suchen entschied ich mich für den  apokalyptischen Text im Matthäusevangelium 25, 1-46. Beim Lesen wurde mir schlagartig bewusst, dass nach dem Evangelium der Maßstab Gottes für den Wert unseres Lebens nicht ein einziges Mal die Kirchlichkeit genannt war. Dann setzte ich mich an meinen PC und schrieb zunächst die persönliche Ansprache: ein Loblied auf einen guten Menschen, den der König des Evangeliums eigentlich zu seiner Rechten herbeirufen müsste. Denn ein solcher war der Verstorbene zweifelsohne gewesen.  Ich nahm mir sehr viel Zeit für die Vorbereitung und suchte auch Texte, die auf das Leben des Verstorbenen passten. Zur Vorbereitung gehörte übrigens auch, dass ich einen Rosenkranz betete. Ich hatte dann noch eine Irritation über meine liturgische Kleidung. schloss ich mich aber einfach dem Rat des Bestatters an, über dem dunklen Anzug eine dezente violette Stola zu tragen. Bei der Trauerfeier hatte ich von Anfang an ein gutes Gefühl. Ich bekam irgendwie einen spontanen Kontakt zu den ca. 60 Teilnehmenden. Vielleicht war es die Rockmusik, die die Familie ausgesucht hatte. Der Verstorbene hatte zur Woodstock-Generation gehört. Am Grab habe ich mich auf die drei Zeichen „Kreuz, Blume und Erde“ beschränkt. Es wirkte gar nicht aufgesetzt, als ich alle daran erinnerte, dass jeder von uns irgendwann sterben werde. Dann sagte ich laut, ich würde  jetzt für den Verstorbenen das Vater Unser beten. Da spürte ich auf einmal große Betroffenheit. Ich habe dann die Angehörigen umarmt und bin sehr bewusst, bei ihnen vor dem Grab stehen geblieben. Dabei bekam ich das das Gefühl, dass es für alle diese Menschen sehr wichtig war, was ich hier tat. Selbst habe ich bei dieser Bestattung wieder neu verinnerlicht, wie viel Hoffnung wir Christen schenken können.

 

Kittlauss Aug 2nd 2012 06:12 pm Biographisches Keine Kommentare bisher Facebook Kommentare

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